Samstag, 12. Dezember 2015

Gemäß dem Aktionsplan Großprojekte der Bundesregierung darf Stuttgart 21 nicht gebaut werden

Der Bundesverkehrsminister hat im Jahr 2015 eine "Reformkommission Großprojekte" eingesetzt, die im September 2015 einen "Aktionsplan Großprojekte" vorgelegt hat. Das Bundeskabinett hat den Aktionsplan Großprojekte am 9. Dezember 2015 verabschiedet. Der Aktionsplan Großprojekte ist somit ab sofort in Deutschland für Großprojekte verbindlich. Das Interessanteste des neuen Aktionsplans Großprojekte ist, dass Stuttgart 21 gemäß dieser Handlungsanweisung für Großprojekte nicht gebaut werden darf.

Um dies zu untermauern, sehen wir uns nur zwei der zehn Punkte des neuen Aktionsplans Großprojekte einmal genauer an.

Mittwoch, 11. November 2015

Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs ist Voraussetzung für Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr


Die Firma Locomore will ab September 2016 Fernverkehrszüge zwischen Stuttgart und Berlin anbieten. Diese Ankündigung von Fernverkehrszügen, die nicht von der Bahn AG betrieben werden, hat immer noch etwas Exotisches an sich. Wäre die Bahnreform richtig und vollständig umgesetzt worden, wären Fernverkehrszüge von Wettbewerbern der Bahn AG längst etwas ganz Normales auf dem deutschen Streckennetz.

Ohne den Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs selbst im Fall, dass Stuttgart 21 in Betrieb genommen wird, wäre Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr auf Dauer nicht möglich. Dann würde das zarte Pflänzchen Wettbewerb in wenigen Jahren bereits wieder absterben. Diese Feststellung wird durch die aktuellen Entwicklungen in Wien unterstützt. Österreich ist Deutschland in Sachen Wettbewerb im Fernverkehr weit voraus. In Wien wird nach der vollständigen Fertigstelllung des neuen Hauptbahnhofs ab dem 13.12.2015 die private Bahngesellschaft Westbahn ihre Fernzüge weiterhin ab dem Wiener Westbahnhof (Kopfbahnhof) betreiben.

Der Wiener Westbahnhof ist eine wichtige Ergänzung zum überlasteten Hauptbahnhof
Fangen wir mal mit der Situation in Wien an und kommen wir anschließend zu Stuttgart 21.

Der neue Wiener Hauptbahnhof ist nun fertiggestellt. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2015 wird der betriebliche Endzustand im Hauptbahnhof beginnen. Der Wiener Hauptbahnhof gilt für die Zeit ab Dezember 2015 bereits als überlastet, obwohl dieser Bahnhof mehr Gleise aufweist als Stuttgart 21 und nicht mehr Züge bewältigen soll als die 32 Züge, die dem Stuttgart 21-Betriebskonzept zugrundeliegen (die Zeitschrift Eisenbahn Österreich berichtete darüber). Hier gibt es verblüffende Parallelen zu Stuttgart 21, das ebenfalls bei einer möglichen Betriebsaufnahme - sagen wir mal im Jahr 2025 - bereits als überlastet gelten muss.

Der Wiener Hauptbahnhof ist zudem schlecht an das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt Wien angeschlossen. Die U-Bahnlinie U1 fährt in einem Abstand von 500 Metern am Hauptbahnhof vorbei und ist tendenziell überlastet. Forderungen nach einer Führung der U-Bahnlinie U2 direkt zum Hauptbahnhof wurden von der Wiener Stadtverwaltung abgelehnt. 

Zum Glück gibt es in Wien noch den bestehenden Westbahnhof, einen Kopfbahnhof, der in den Jahren 2008 bis 2011 für 200 Mio. Euro grundlegend umgebaut und renoviert worden ist. Der Westbahnhof ist hervorragend an das U-Bahnnetz angeschlossen. Zwei U-Bahnstrecken führen direkt am Westbahnhof vorbei. Vom Westbahnhof werden weiterhin zahlreiche Regionalzüge der Österreichischen Bundesbahnen abfahren.

Vom Westbahnhof aus wird es aber auch zukünftig Fernverkehr geben. Denn die private Bahngesellschaft Westbahn wird ihre stündlich von Wien nach Salzburg verkehrenden Fernzüge weiterhin nicht ab dem Wiener Hauptbahnhof, sondern ab dem Wiener Westbahnhof anbieten. Dafür lassen sich drei Gründe bestimmen.

1. Der Wiener Hauptbahnhof ist bereits mit Betriebsaufnahme überlastet und kann die Züge der Westbahn gar nicht mehr aufnehmen.
2. Der Wiener Westbahnhof ist wesentlich besser an das U-Bahnnetz angeschlossen als der Hauptbahnhof. Die Manager der Westbahn berücksichtigen hier sehr wohl die Bedürfnisse der Fahrgäste. Der größte Teil der Fahrgäste des Fernverkehrs will in Wien aussteigen bzw. einsteigen und nicht durchfahren.  
3. Der Westbahnhof ist wesentlich besser als der Hauptbahnhof geeignet, die betrieblichen Erfordernisse der Westbahn kostengünstig zu erfüllen. Die Züge der Westbahn können nach der Ankunft im Westbahnhof dort bis zur planmäßigen Rückfahrt stehen bleiben. Im Hauptbahnhof müssten sie, sofern man für die Züge noch einen Platz findet, relativ rasch irgendwohin weiterfahren, wo sie dann bis zur Rückfahrt warten müssten, um den Betrieb im Hauptbahnhof nicht zu stören.

Kommen wir nun zum Stuttgarter Hauptbahnhof. In Deutschland ist der Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr noch nicht so weit vorangeschritten wie in Österreich. Die Bahnreform hatte jedoch auch in Deutschland das Ziel, den Wettbewerb auf der Schiene zu verstärken. Soll die Bahnreform nicht Makulatur sein, muss somit auch beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart darauf geachtet werden, dass zukünftig mehr als heute Wettbewerb auf der Schiene möglich ist. 

Die folgenden Punkte sprechen aus der Sicht des Wettbewerbs im Bahn-Fernverkehr für den Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs und damit für die Umsetzung einer Art Kombilösung beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart

1. Die Leistungshigkeit des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs ist begrenzt
Für den Stuttgart 21-Tiefbahnhof wurden 32 Züge pro Stunde als Leistungsobergrenze nachgewiesen. Diese Leistungsbetrachtung bezieht sich jedoch nur auf den Hauptbahnhof und das engere Umfeld. Die zahlreichen Engstellen des Stuttgart 21-Projekts im weiteren Umfeld des Hauptbahnhofs wie z.B. die höhengleichen Gleiskreuzungen bei Plochingen, die höhengleichen Gleiskreuzungen und die eingleisige Strecke bei der Wendlinger Kurve, die höhengleichen Gleiskreuzungen und die eingleisige Strecke bei Bad Cannstatt Nürnberger Straße sowie das Feuerwerk mit zahlreichen unmittelbar aufeinanderfolgenden Engstellen  für die Gäubahn und die S-Bahn im Filderbereich sind hier nicht berücksichtigt.

Es ist somit zu erwarten, dass die Gesamtleistungsfähigkeit von Stuttgart 21 unter 32 Zügen pro Stunde liegt. Dies ist nicht einmal ausreichend, um den heutigen Bedarf an Zügen zu decken. Erst recht ist dies nicht ausreichend, um den in den kommenden 20 bis 40 Jahren zu erwartenden Zuwachs bei der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen zu decken. Und noch weniger ist dies ausreichend, um neben den Zügen der Bahn AG auch noch Fernzüge von Wettbewerbern fahren zu lassen. 

Die Firma Locomore hat für ihren beantragen Zug von Stuttgart nach Berlin und zurück bereits ein Zeitfenster für die Belegung des Stuttgarter Kopfbahnhofs erhalten. Das zeigt, dass der Kopfbahnhof im engeren Sinne Kapazitätsreserven hat. Ausgelastet bzw. überlastet sind dagegen heute bereits die Zulaufstrecken zum Kopfbahnhof.      

2. Die Zufahrt Zuffenhausen ist überlastet
Die Zufahrt Zuffenhausen verfügt bei Stuttgart 21 über nur zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr. Die Leistungsobergrenze für eine Zufahrt zu einem Bahnknoten, die von Fern- und Regionalzügen gemeinsam befahren wird, muss mit 12 bis 13 Zügen pro Gleis und Stunde angesetzt werden. Dieser Wert wird bei der Zufahrt Zuffenhausen in der Spitzenstunde in Lastrichtung bereits heute erreicht. 

Eine Bahnknotenzufahrt für Fernverkehrs- und Regionalverkehrszüge ("Magistrale") kann nicht so dicht belegt werden wie eine Strecke, die nur der S-Bahn dient. Das liegt im Wesentlichen daran, dass die Fernverkehrszüge Spielraum brauchen, um bei Verspätungen nicht durch andere Züge noch weiter ausgebremst zu werden. Ein weiterer Grund sind die unterschiedlich hohen Geschwindigkeiten zwischen TGV, ICE, IC und IRE auf der Schnellfahrstrecke von Vaihingen/Enz nach Stuttgart sowie zwischen RB und RE auf der Strecke von Heilbronn nach Stuttgart. Diese unterschiedlich hohen Beförderungsgeschwindigkeiten führen dazu, dass in der Zufahrt Zuffenhausen allein schon aus betrieblichen Gründen größere Zeitlücken zwischen zwei Zügen auftreten können. Sie sind teilweise wesentlich größer als die Zeitlücke von 2,5 Minuten auf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn. 12 Züge pro Gleis und Stunde bedeuten immerhin auch schon eine durchschnittliche Zugfolge von 5 Minuten.   

Es gibt in der Tat in ganz Deutschland und auch im Ausland keine Zufahrt für Fern- und Regionalzüge zu einem Bahnknoten, die eine größere Belastung als 13 Züge pro Stunde und Gleis aufweist. Das wurde in diesem Blog an Hand der Beispiele Hohenzollernbrücke Köln und Durchmesserlinie Zürich bereits ausführlich gezeigt.

Die bestehende Situation bei der Zufahrt Zuffenhausen erlaubt es nicht, wesentliche Fortschritte beim Wettbewerb im Fernverkehr der Bahn zu machen oder auch nur die Angebote im Bahnverkehr signifikant auszuweiten. Die Firma Locomore hat von der Bahn AG bereits eine Fahrplantrasse für die Zufahrt Zuffenhausen erhalten. Das war aber nur deshalb möglich, weil die geplanten Fernzüge der Firma Locomore entgegen der Lastrichtung fahren (morgens stadtauswärts im Bereich der Zufahrt Zuffenhausen, abends stadteinwärts im Bereich der Zufahrt Zufffenhausen). 

Die Zufahrt Zuffenhausen muss dringend viergleisig für den Fern- und Regionalverkehr ausgebaut werden. Das ist sinnvoll nur im Rahmen einer Kombilösung möglich, bei der zwei Gleise in den Stuttgart 21-Tiefbahnhof (dann anstatt acht nur sechs Bahnsteiggleise, jedoch mit breiteren Bahnsteigen) und zwei Gleise in den Kopfbahnhof geführt werden.   

3. Der Kopfbahnhof ermöglicht es, Züge kurzzuwenden (Ping-Pong-Verkehre)
Für Wettbewerber der Bahn im Fernverkehr sind Pendelverkehre zwischen zwei Großstadtbahnhöfen interessant (Ping-Pong-Verkehre). Der Kopfbahnhof ermöglicht es, diese Verkehre kostengünstig zu betreiben. Denn der Zug kann nach seiner Ankunft im Kopfbahnhof dort in vielen Fällen bis zur planmäßigen Rückfahrt stehen bleiben. 

Bei Stuttgart 21 können die Züge nicht im Hauptbahnhof bis zur Rückfahrt stehen bleiben. Vielmehr müssen die Züge aus dem Hauptbahnhof erst mal in irgendeinen Abstellbereich gefahren werden, der mehrere bis viele Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt ist. Von dort müssen sie dann wieder zurückgefahren werden. Das alles kostet Zeit und schließlich auch Geld, das für den Einsatz zusätzlicher Züge sowie für die zusätzlichen Trassengebühren anfällt. 

4. Dieselbetrieb im Stuttgarter Hauptbahnhof
Wettbewerber der Bahn setzen gerne Diesefahrzeuge ein. Denn diese Fahrzeuge sind preiswerter zu bekommen als Elektrotriebwagen. Im Stuttgarter Kopfbahnhof ist der Dieselbetrieb uneingeschränkt möglich. Bei Stuttgart 21 ist der Dieselbetrieb im unterirdischen Hauptbahnhof nicht mehr möglich. Der Erhalt des Kopfbahnhofs ist somit die Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene.

Hier wird gerne der Einwand gebracht, dass der Dieselbetrieb Abgase erzeugt. Das ist zwar prinzipiell richtig. Dieselzüge erzeugen pro befördertem Fahrgast trotzdem wesentlich weniger Abgase als z.B. Pkw. Wollte man Dieselzüge verbieten, müsste man konsequenterweise auch den gesamten Busverkehr verbieten. 

5. Die Wettbewerber der Bahn müssen auch in Stuttgart einen Bahnhof ohne Gleisneigung erwarten können
Der Stuttgart 21-Tiefbahnhof hat eine Gleisneigung, die das sechsfache des nach den nationalen Richtlinien empfohlenen Werts beträgt. Der Stuttgart 21-Tiefbahnhof ist der einzige Knotenbahnhof in Europa mit einer solchen Gleisneigung. Die Gleisneigung in Bahnhöfen ist ansonsten fast überall so bemessen, dass Züge auf keinen Fall wegrollen können. Das heißt, dass die Gleise in Knotenbahnhöfen europaweit horizontal weitgehend ohne Gleisneigung verlegt sind.

Wettbewerber der Bahn müssen darauf bauen können, dass alle Knotenpunktsbahnhöfe in Europa gleich gebaut sind - im speziellen Fall ohne Gleisneigung. Es ist den Wettbewerbern der Bahn nicht zumutbar, nur für den Stuttgarter Hauptbahnhof besondere Einrichtungen an den Fahrzeugen anzuschaffen und das Fahrpersonal besonders zu instruieren.

Auch in Bezug auf das Thema Gleisneigung ist somit der Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofs die Grundvoraussetzung für Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr.      

Die Problematik von Stuttgart 21 wird einmal mehr deutlich
An Hand des Wettbewerbs im Bahn-Fernverkehr wird somit die Problematik von Stuttgart 21 einmal mehr deutlich. Dieses Projekt führt nicht nur zu einem Engpass im Bahnverkehr mit deutschlandweiten Auswirkungen. Dieses Projekt verunmöglicht auch den geplanten Deutschlandtakt (integraler Taktfahrplan). Das Projekt ist zudem nicht in der Lage, die zu erwartenden großen Steigerungen bei den Fahrgastzahlen der Bahn in den kommenden Jahrzehnten aufzunehmen. Darüber hinaus behindert das Projekt den Wettbewerb im Bahn-Fernverkehr, der gemäß Bahnreform eigentlich gefördert werden muss.

Damit sind doch genügend Gründe beisammen, dass sich jetzt das zuständige Bundesverkehrsministerium intensiv mit der Sache beschäftigt und den Erhalt des Kopfbahnhofs in Stuttgart sowie eine Kombilösung für den Bahnknoten Stuttgart durchsetzt.    
   

Freitag, 16. Oktober 2015

Neuer Fahrplan für Zürcher Durchmesserlinie bestätigt Maximalwert von 32 Zügen pro Stunde bei Stuttgart 21

Die Zürcher Durchmesserlinie ist im Juni 2014 in einer ersten Stufe nur für die S-Bahn in Betrieb gegangen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 geht die Endstufe der Zürcher Durchmesserlinie in Betrieb. Neben den Zügen dreier S-Bahnlinien werden ab diesem Zeitpunkt auch einige Fernzüge die Zürcher Durchmesserlinie befahren.

Der Fahrplan für die neue Zürcher Durchmesserlinie ab dem Dezember 2015 liegt bereits vor. An Hand dieses Fahrplans lassen sich einige interessante Schlussfolgerungen für Stuttgart 21 ziehen. In diesem Zusammenhang sind die fahrplanmäßigen Haltezeiten der Züge im Bahnhof der Zürcher Durchmesserlinie interessant. Noch interessanter ist jedoch die Streckenbelastung der Durchmesserlinie, die aus einem viergleisigen Bahnhof mit jeweils einer zweigleisigen Zulaufstrecke auf jeder der beiden Bahnhofseiten besteht.

Mittwoch, 23. September 2015

Stuttgart 21 ist veraltet - dem Kombibahnhof gehört die Zukunft

Stuttgart 21 ist veraltet. Das zeigt ein Blick auf die Bahnhofsausbau-Karte in Europa. Für immer mehr Bahnhöfe in Europa gibt es Ausbauprojekte hin zu einem Kombibahnhof, der sowohl die - sehr unterschiedlichen - Bedürfnisse des Fern- und Durchgangsverkehrs als auch des Regional- und Ziel- und Quellverkehrs optimal abdecken kann. Zudem kann nur ein Kombibahnhof die jeweils dringend erforderlichen zusätzlichen Bahnkapazitäten im Bahnhof selbst und bei den Zulaufstrecken bereitstellen. 

Ein Projekt wie Stuttgart 21, das einen bestehenden Bahnhof nicht zu einem Kombibahnhof ausbaut, sondern vollständig stilllegt und durch einen neuen, engen Bahnhof ersetzen will, gibt es in Europa kein zweites Mal. Im Vergleich zu den Kombibahnhofprojekten kann Stuttgart 21 weder bei der Kapazitätsfrage noch beim Thema der optimalen Abdeckung der sehr unterschiedlichen Bedürfnisse von Fern- bzw. Durchgangsverkehr und Regional- bzw. Ziel- und Quellverkehr punkten.   

Das Aus-der-Zeit-Fallen von Stuttgart 21 ist jedoch nicht erst seit heute offensichtlich. Der gemeinsame Vorschlag von Stuttgart 21-Schlichter Heiner Geißler und Alt-CEO der Verkehrsberatungsfirma SMA Werner Stohler aus dem Jahr 2011, gemäß dem auch in Stuttgart an Stelle von Stuttgart 21 ein Kombibahnhof mit vier Durchgangsbahnsteigen und 10 bis 16 Kopfbahnsteigen entstehen solle (Stohler: "dreimal so gut wie Stuttgart 21"), wurde von der Politik in einem Akt der Hilflosigkeit und Trotzigkeit ins Leere geleitet. Bereits vor diesem Zeitpunkt hätten jedoch bei der Politik die Alarmglocken schrillen müssen. So wurde z.B. in der belgischen Stadt Antwerpen bereits im Jahr 1998 mit dem Ausbau des Bahnhofs Antwerpen-Centraal zu einem Kombibahnhof begonnen (Inbetriebnahme 2007). Andere Städte folgten bzw. waren schon früher dran. Ein Schwesterprojekt zu Stuttgart 21 war und ist dagegen nirgendwo in Sicht.

Montag, 17. August 2015

Regionalbahnhof Vaihingen: Arbeitet der VVS gegen Verkehrsminister Hermann?

Der von Landesverkehrsminister Hermann zusammen mit der Bahn auf den Weg gebrachte Halt von Regionalzügen in Stuttgart-Vaihingen steht vor der Umsetzung. Dies ist ein ganz wichtiger Schritt hin zu einer Verbesserung des Bahnverkehrs in der Region Stuttgart sowie zu einer Entlastung der S-Bahn. Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) scheint mit dieser Entscheidung nicht zufrieden zu sein. Nach wie vor präsentiert der VVS auf seiner Internetseite seine Argumente gegen einen Regionalbahnhalt in Stuttgart-Vaihingen.

Bevor wir in der Sache weiter vorangehen, sei hier ganz kurz die Stelle angegeben, an der der VVS gegen den Regionalbahnhalt Vaihingen Stellung bezieht. Die Internetseite des VVS ist www.vvs.de. Dort gibt es ganz oben auf der Seite einen Link "FAQ" (Frequently asked questions, häufig gestellte Fragen). Nach Anklicken dieses Links erscheint eine Seite, bei der in der linken Spalte verschiedene Gruppen von FAQs genannt werden. Hier klickt man "Fahrplanangebot" an. Darauf erscheinen vier Fragen. Die Frage nach dem Regionalbahnhalt Vaihingen ist nicht mehr darunter. Hat der VVS diese Frage klammheimlich gelöscht? Tatsächlich gab es bis vor einiger Zeit noch diese Fragestellung auf der VVS-Seite. Der VVS hat seine ablehnende Haltung zum Regionalbahnhalt Vaihingen jedoch nicht aufgebeben. Man scrolle einfach die Seite herunter. Dann wird man feststellen, dass Antworten zu fünf Themen gegeben werden (und nicht nur zu vier Themen, wie das bei den vier Fragen eigentlich zu erwarten wäre), darunter das Thema Regionalbahnhof Vaihingen und dessen Ablehnung seitens des VVS. 

Die Sache wird somit brisant. Es ist nicht nur bedenklich, dass sich der VVS mit seiner Ablehnung des Regionalbahnhofs Vaihingen klar gegen Verkehrsminister Hermann stellt. Es kommt noch hinzu, dass alle Argumente des VVS gegen den Regionalbahnhof Vaihingen falsch bzw. unzutreffend sind. Gleichwohl will der VVS anscheinend diese Argumente nicht einstampfen. Ein dritter Punkt ist jetzt, dass der VVS seine Argumente gegen den Regionalbahnhof Vaihingen auch noch versteckt. Für Besucher der Webseite des VVS, die nur die Überschriften lesen, erscheint das Thema Regionalbahnhof Vaihingen gar nicht mehr. Nur Besucher, die die Seiten vollständig lesen, stoßen weiterhin auf das Thema.

Anmerkung: Möglicherweise wird der VVS als Reaktion auf diesen Artikel demnächst seine Anmerkungen zum Regionalbahnhof Vaihingen auf seiner Internetseite löschen. Damit keine Missverständisse entstehen und damit später niemand behauptet, es hätte diese Argumente nie gegeben, wurde ein Screenshot der Seite vom Stand 17.08.2015 erstellt.
     
Kommen wir aber zurück zur inhaltlichen Behandlung des Themas Regionalbahnhof Vaihingen.

Sonntag, 26. Juli 2015

Warum München eine Fehlplanung wie Stuttgart 21 niemals realisieren würde

Nach wie vor lautet die Kardinalfrage in Sachen Stuttgart 21, wie es dazu kommen konnte, dass diese epochale Fehlplanung in der Region Stuttgart und in Baden-Württemberg bis zur teilweisen Baureife vorangetrieben werden konnte. Eine Möglichkeit zur Beantwortung dieser Hauptfrage zu Stuttgart 21 kann darin bestehen, dass man sich die gesamte Verkehrsplanung der Nachkriegszeit in der Region Stuttgart ansieht. Die Bilanz in Sachen Verkehr in der Region Stuttgart sieht nicht gerade gut aus.

Einige Schlagworte zu diesem Thema:
  • Die Stuttgarter Innenstadt ("Neckartor") weist die höchsten Feinstaubbelastungen in Europa auf.
  • In der Region Stuttgart fahren signifikant weniger Fahrgäste mit den öffentlichen Verkehrsmitteln als in den vergleichbaren und benachbarten Regionen (München, Frankfurt, Zürich).
  • Als nahezu einzige Großstadt in Europa muss in Stuttgart der Straßendurchgangsverkehr (B14, B27) teilweise durch die Innenstadt fahren.
  • Stuttgart hat als nahezu einzige Großstadt in Europa praktisch keine Ringstruktur bei seinem übergeordneten Straßensystem.
  • Die Stuttgarter Stadtbahn hat nur zwei Stammstrecken - einmalig unter den vergleichbaren Großstädten in Deutschland.
  • Als einziges S-Bahnsystem in Deutschland verbindet die Stuttgarter S-Bahn die beiden Hauptzufahrten zum Hauptbahnhof nicht direkt miteinander. Das führt zu einer unwirtschaftlichen Betriebsweise, bei der die Hälfte aller S-Bahnlinien im Verlauf der Stammstrecke (Haltepunkt Schwabstraße) enden und wenden muss.
  • Bezogen auf die Fläche der Innenstadt hat Stuttgart die meisten Tiefgaragenstellplätze aller Großstädte in Europa.
Stuttgart 21 ist nun die Fortsetzung dieser epochalen Fehlplanungen in Sachen Verkehr, die sich seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in der Region Stuttgart eingestellt haben.
  • Mit Stuttgart 21 wird der Bahnverkehr in Stuttgart zwangsweise in einen engen Durchgangsbahnhof gepresst, obwohl fast niemand mit der Bahn in Stuttgart durchfahren will. Fast 90 Prozent aller Reisenden haben in Stuttgart Quelle und Ziel ihrer Bahnreise bzw. sie steigen in Stuttgart um.
  • Mit Stuttgart 21 haben wir ein Projekt, das als einziges großes Bahnprojekt in Europa die Kapazität des Bahnverkehrs in seiner Region so gut wie nicht ausweitet, obwohl dieses Projekt die Region ca. 40 Jahre lang in Beschlag nimmt und Resourcen bindet, und obwohl eine massive Kapazitätsausweitung für den Schienenverkehr gerade bei der gegebenen Situation in Stuttgart an erster Stelle der Agenda stehen müsste. 
  • Mit Stuttgart 21 erhält Stuttgart als einzige Großstadt Europas keinen eigentlichen Bahnhof mehr, sondern nur noch einen Haltepunkt mit einer sechsfach überhöhten Gleisneigung gegenüber der nationalen Norm, in dem Züge nicht enden und wenden oder gekuppelt werden dürfen. 
  • Stuttgart 21 bringt für Stuttgart über 60 Kilometer Bahntunnel, die nicht nur im Bau, sondern auch im späteren Betrieb und in der Instandhaltung extrem teuer sind und die große Risiken beim Bau beinhalten. Dabei entlasten diese Tunnel keinen einzigen Einwohner der Region Stuttgart signifikant vom Bahnlärm, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass der wesentlichste Bahnlärm durch den Güterverkehr verursacht wird.
Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir sehen, wie Verkehrspolitik und Verkehrsplanung auch anders gehen können. Hierzu wollen wir einige aktuelle Verkehrsthemen aus der bayerischen Landeshauptstadt München aufgreifen und sie zu Stuttgart in Bezug setzen.

Sonntag, 5. Juli 2015

Stuttgart 21 - mehr Schaden als Nutzen für die S-Bahn

Stuttgart 21 ist dem Grundsatz nach kein Bahnprojekt. Die Idee zu Stuttgart 21 speiste sich aus anderen Antrieben als einer Verbesserung der Verhältnisse für den Bahnverkehr. Im Nachhinein gab und gibt es zahlreiche Versuche, Stuttgart 21 reinzuwaschen und bahnverkehrliche Gründe für das Projekt anzugeben. Dazu gehört auch, dass Stuttgart 21 Verbesserungen für die Stuttgarter S-Bahn bringe, indem es zum Beispiel Engstellen bei der S-Bahn beseitigt und die S-Bahn entlastet.

Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir auf den Argumentationspunkt mit der S-Bahn näher eingehen. Wir werden möglichst genau analysieren, was Stuttgart 21 mit der Stuttgarter S-Bahn macht bzw. nicht macht.

Die Stuttgarter S-Bahn weist heute zahlreiche Engstellen auf. Jede einzelne Engstelle hat für sich allein betrachtet noch keine besonders gravierenden negativen Auswirkungen auf den S-Bahnbetrieb. In der Summe wirken sich diese Engstellen jedoch vielfältig und merkbar auf den S-Bahnbetrieb aus, insbesondere auf die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit, auf die Fahrzeiten und auf den Freiheitsgrad der Fahrplangestaltung.

Nachfolgend sind die Engstellen im heutigen Netz der S-Bahn aufgelistet:

Sonntag, 21. Juni 2015

Neue Stuttgart 21-Planung am Flughafen ist Steilvorlage für den Erhalt des Kopfbahnhofs

Das Teilprojekt "Gäubahn am Flughafen" bei Stuttgart 21 mit der sogenannten Variante Drittes Gleis soll nach den jetzt vorgestellten Zeitplanungen der Bahn frühestens Ende 2023 in Betrieb gehen. Für den Rest von Stuttgart 21 soll an einer Inbetriebnahme Ende 2021 festgehalten werden.

Im heutigen Post in diesem Blog soll es nicht um die genannten Inbetriebnahmetermine als solche gehen. Vieles deutet darauf hin, dass die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 noch sehr viel später als die genannten Termine erfolgen wird, sollte das Projekt nicht vorher gestoppt werden können. Heute geht es darum, welche Folgen, aber vor allem auch welche Chancen die zeitliche Abkoppelung des Gäubahnteils von Stuttgart 21 hat.

Die Verschiebung der Inbetriebnahme des Gäubahnteils von Stuttgart 21 kann und muss als letzter Wink mit dem Zaunpfahl seitens der Bahn an die Politik betrachtet werden, in Sachen Stuttgart 21 wieder konstruktiv tätig zu werden und das Projekt zu überarbeiten. Noch ist dazu die Chance vorhanden.

Sonntag, 14. Juni 2015

Die Zufahrt Zuffenhausen - ein Merkmal des Scheiterns von Stuttgart 21

Das Scheitern des Projekts Stuttgart 21 lässt sich an vielen größeren und kleineren Einzelheiten festmachen. Besonders deutlich illustriert die Zufahrt Zuffenhausen zum Bahnknoten Stuttgart, dass Stuttgart 21 kein eigentliches Bahnprojekt ist. Denn diese ungeheuer wichtige Zufahrt wird im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 nicht ausgebaut.

Damit ist Stuttgart 21 europaweit das einzige Großprojekt für einen Bahnknoten, das eine Bahnknoten-Zufahrt von der Bedeutung der Zufahrt Zuffenhausen nicht ausbaut. Das hat ganz konkrete Auswirkungen auf das Projekt. Denn damit wird klar, dass Stuttgart 21 die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart gegenüber dem Bestand keineswegs erweitert und damit seine Berechtigung verloren hat. Warum dies so ist, wollen wir im heutigen Artikel in diesem Blog näher untersuchen.

Konkret stellen sich die folgenden Fragen. Warum ist die Zufahrt Zuffenhausen ein Merkmal des Scheiterns von Stuttgart 21? Wie wichtig ist die Zufahrt Zuffenhausen für den Bahnknoten Stuttgart? Welchen Verkehrsanteil hat die Zufahrt Zuffenhausen? Was kann sie heute leisten? Was kann sie bei Stuttgart 21 leisten? Inwiefern bestimmt die Leistungsfähigkeit der Zufahrt Zuffenhausen die Leistungsfähigkeit des gesamten Bahnknotens Stuttgart und damit auch von Stuttgart 21? Was muss jetzt dringend für die Zufahrt Zuffenhausen getan werden?

Sonntag, 31. Mai 2015

Die Idee zu Stuttgart 21 kam von Städtebauern und Politikern

Stuttgart 21 ist das einzige große Bahnprojekt in Europa, das nicht von Bahnfachleuten erfunden und vorangetrieben worden ist. Die Idee zu Stuttgart 21 kam von Städtebauern und wurde von Politikern bereitwillig aufgegriffen.

Diese These mag zunächst etwas verwundern. Gilt denn nicht der emeritierte Professor Gerhard Heimerl, ein Bahnfachmann, als der Vater von Stuttgart 21? Heimerl hat in mehreren Interviews zu verstehen gegeben, dass man ihn als den Erfinder der NBS Wendlingen-Ulm betrachten kann, nicht jedoch von Stuttgart 21.

Die Planung von Heimerl für den Bahnknoten Stuttgart sah eine Kombilösung mit einem viergleisigen Durchgangsbahnhof unter dem Stuttgarter Kopfbahnhof vor. Sowohl die NBS Wendlingen-Ulm als auch der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart gemäß der Kombilösung sind - wohlwollend betrachtet und mit ein paar Abstrichen - Bahnprojekte im eigentlichen Sinne, geplant von Bahnfachleuten mit dem Ziel, die Eisenbahn leistungsfähiger und attraktiver zu machen.

Selbstverständlich kann man die NBS Wendlingen-Ulm sowie die Kombilösung für den Bahnknoten Stuttgart ganz kontrovers diskutieren. Das wurde und wird in diesem Blog ja auch so gemacht. Jedoch ist dies eine normale Diskussion, wie sie im Umfeld von allen Bahnprojekten in Europa stattfindet.

Sonntag, 17. Mai 2015

Die Zufahrt Zuffenhausen - eine Achillesferse von Stuttgart 21

Das Projekt Stuttgart 21 hat viele Widersprüche und Achillesfersen. Eine davon ist die Zufahrt Zuffenhausen, die bei Stuttgart 21 nur zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr aufweist. Zwar gibt es beim Projekt Stuttgart 21 die sogenannte P-Option für zwei weitere Gleise der Zufahrt Zuffenhausen. Diese P-Option wird jedoch als nicht realistisch angesehen. Einerseits münden die beiden zusätzlichen Gleise von Zuffenhausen bei der P-Option in den Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21. Sie werden also gar nicht durchgehend eigenständig bis zum Hauptbahnhof geführt. Andererseits müsste der Stuttgart 21-Tiefbahnhof auf mindestens 10 bis 12 Gleise erweitert werden, um die über die P-Option zusätzlich zum Bahnhof fahrenden Züge aufnehmen zu können. Das ist jedoch nicht möglich. Bereits für die jetzt geplanten 8 Bahnsteiggleise im Tiefbahnhof ist nicht ausreichend Platz, was durch die kleine Bahnsteigbreite untermauert wird.

Matthias Lieb vom VCD hat bei der Anhörung zu Stuttgart 21 vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags am 06.05.2015 das Problem der Zufahrt Zuffenhausen wieder aus der Versenkung hervorgeholt, in der es die Stuttgart 21-Betreiber gerne gesehen hätten. Das soll der Anlass sein, das Thema auch in diesem Blog noch einmal zur Sprache zu bringen. Die Zufahrt Zuffenhausen mit all ihren Problemen war in diesem Blog bereits das Thema von mehreren Artikeln. Eigentlich ist in diesem Blog bereits alles zur Zufahrt Zuffenhausen gesagt worden. Es kommt jedoch nicht nur darauf an, was man sagt. Es kommt auch auf den Zeitpunkt an, wann man etwas sagt. Vielleicht ist jetzt ja ein günstiger Zeitpunkt, dass die Probleme von Stuttgart 21 und im Besonderen der Zufahrt Zuffenhausen besser Gehör finden.

Sonntag, 3. Mai 2015

Wie die Politiker die Augen vor dem Stuttgart 21-Flughafenmurks verschließen

Bereits bei Anwendung einer Plausibilitätsbetrachtung erweist sich die neu kreierte Variante "Drittes Gleis" von Stuttgart 21 beim Flughafen als für die Gäubahn nicht fahrbahr. Zwischen Herrenberg und dem Hauptbahnhof müssten die Züge der Gäubahn sage und schreibe neun Engstellen in kurzer Folge durchfahren, ohne dass es zwischen den einzelnen Engstellen Möglichkeiten gibt, eine kurze Ausgleichszeit zur Anpassung an eine neue Fahrtenlage einzulegen (siehe auch den vorangegangenen Artikel in diesem Blog). 

Bereits drei oder vier hintereinanderliegende derartige Engstellen ohne dazwischenliegende Ausgleichsmöglichkeiten führen an die Grenze der Unfahrbarkeit. Wie sieht es da erst bei neun Engstellen aus! Viele Politiker scheint dies aber nicht zu interessieren. Sie scheinen mit einer "Augen zu und durch"-Mentalität einerseits Handlungsmacht demonstrieren zu wollen und andererseits genau zu wissen, dass sie längst nicht mehr im Amt sein werden, sollte die Variante Drittes Gleis je in Betrieb genommen werden bzw. anzunehmen, dass diese Variante eh nicht in Betrieb genommen wird.

Bevor man jedoch jetzt am Verstand der Politik insgesamt zweifelt, lohnt es sich, auch mal irgendwo anders hinzusehen, zum Beispiel nach Bayern, ins Allgäu und dort nach Oberstaufen. Es gibt bei Oberstaufen einen Bahntunnel. Kurioserweise ist dies der einzige Bahntunnel in den deutschen Alpen. Dieser Bahntunnel ist alt und steht seit langer Zeit zur Sanierung an. Die Bahn wollte im Zuge der Sanierung des zweigleisigen Tunnels die Bahnstrecke im Bereich des Tunnels auf ein Gleis zurückbauen. 

Sonntag, 19. April 2015

Missachtet der Verband Region Stuttgart bei den S21-Beschlüssen die Haushaltsgrundsätze?

Das Regionalparlament des Verbands Region Stuttgart hat am 15.04.2015 mit großer Mehrheit beschlossen, dass der Verband Region Stuttgart zusätzlich zu den bereits bewilligten 100 Mio. Euro weitere 20 Millionen Euro für das Projekt Stuttgart 21 bereitstellt. Begründet wird dies mit dem Vorliegen einer neuen Variante zum Bau eines Flughafenbahnhofs, der sogenannten Variante Drittes Gleis.

Im heutigen Post in diesem Blog soll es noch einmal um die Variante Drittes Gleis gehen, insbesondere aus dem Blickwinkel der Gäubahn. 

Zunächst soll eine zweifache Plausibilitätsbetrachtung zur Fahrbarkeit der Variante Drittes Gleis für die Gäubahn durchgeführt werden. Die Plausibilitätsbetrachtung wird zum Ergebnis haben, dass die Variante Drittes Gleis nicht fahrbar ist. 

Dann soll das Verhalten der Politik in Bezug auf die Variante Drittes Gleis näher betrachtet werden, beispielhaft an drei Politikern:
  • Roland Klenk, OB von Leinfelden-Echterdingen  
  • Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter
  • Ingrid Grischtschenko, Abgeordnete im Regionalparlament

Schließlich soll die Frage angesprochen werden, ob der Verband Region Stuttgart mit der Bewilligung von 20 Mio. Euro für die Variante Drittes Gleis gegen die Haushaltsgrundsätze verstößt. Darauf aufbauend muss überlegt werden, ob juristische Mittel gegen den Verband Region Stuttgart bzw. gegen einzelne Funktionsträger möglich und angebracht sind. 

Sonntag, 5. April 2015

Das neue Fernverkehrskonzept der Bahn zeigt die Absurdität von Stuttgart 21

Die Bahn hat vor wenigen Wochen ein neues Fernverkehrskonzept angekündigt. Das Konzept sieht zusätzliche IC-Linien vor, so dass alle Städte über 100.000 Einwohner an das IC-Netz angebunden werden. Davon betroffen in BW sind vor allem die Großstädte Heilbronn und Reutlingen. Darüber hinaus sollen weitere Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohner mit Doppelstock-ICs angebunden werden (in BW z.B. Esslingen, Ludwigsburg, Göppingen, Aalen, Schwäbisch Gmünd, Waiblingen, Friedrichshafen). Bestehende IC-Verbindungen sollen dichter befahren werden (in BW z.B. Pforzheim).

Im heutigen Post in diesem Blog sehen wir uns das neue Konzept näher an. Interessant sind vor allem die Schnittstellen zwischen dem neuen Fernverkehrskonzept und dem Regionalverkehr sowie zwischen dem neuen Konzept und dem Projekt Stuttgart 21.

Sonntag, 22. März 2015

Hochflur-Stadtbahn Ludwigsburg als kleines Abbild von Stuttgart 21

Der Gemeinderat von Ludwigsburg hat sich in seiner Sitzung am 25.02.2015 mit überwältigender Mehrheit für eine Niederflur-Stadtbahn in Ludwigsburg an Stelle der bisher geplanten Hochflur-Stadtbahn ausgesprochen. Diese Gemeinderatsentscheidung ist bemerkenswert und epochal. Denn der Ludwigsburger Gemeinderat stellt sich damit gegen die von interessierter Seite propagierte Hochflur-Stadtbahn für Ludwigsburg. Dieses Hochflur-Schienensystem ist nicht nur absolut nicht mehr zeitgemäß. Es beeinträchtigt das Stadtbild von Ludwigsburg auch über Gebühr und schöpft das Potenzial, das der innerstädtische Schienenverkehr in Ludwigsburg hat, nicht aus.

Die Hochflur-Stadtbahn in Ludwigsburg hat Gemeinsamkeiten mit dem Projekt Stuttgart 21. Das ist der Grund, weshalb das Thema der Ludwigsburger Stadtbahn hier in diesem Blog, der ja eigentlich monothematisch auf Stuttgart 21 ausgerichtet ist, heute einmal näher beleuchtet werden soll.

Genauso wie Stuttgart 21 beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart wurde bisher das Hochflur-System für die Ludwigsburger Stadtbahn als alternativlos dargestellt sowie mit angeblichen Zwangspunkten begründet. Bestrebungen für die Einrichtung einer Niederflur-Stadtbahn in Ludwigsburg wurden mit dem Einwand technischer und finanzieller Zwangspunkte abgebügelt. Im Wesentlichen geht es hier um die Schnittstellenproblematik zwischen der geplanten Ludwigsburger Stadtbahn und der benachbarten hochflurigen Stuttgarter Stadtbahn und deren Betreiber SSB.

Fangen wir mal mit den sachlichen Gründen an, die für ein Niederflur-Stadtbahnsystem in Ludwigsburg sprechen.

Sonntag, 15. März 2015

Licht und Schatten bei den Stuttgart 21-Gäubahn-Plänen von Minister Hermann

Im Rahmen des mit der Region Stuttgart, der Landeshauptstadt Stuttgart und der Bahn vereinbarten Pakets zur Verbesserung von Stuttgart 21 im Filderbereich hat Verkehrsminister Hermann als Vertreter des Landes Baden-Württemberg einige Dinge durchgesetzt, die bisher nicht geplant waren.

Dazu gehören der Ausbau des Bahnhofs S-Vaihingen zum Regionalverkehrs- und Umsteigebahnhof, die Ermöglichung der Fahrt von Doppelstock-Regionalzügen zwischen Böblingen und S-Vaihingen (Berghautunnel bei der Rohrer Kurve) sowie die Option einer Offenhaltung der Panoramastrecke der Gäubahn zumindest zwischen S-Vaihingen und S-Nord.

Im heutigen Post in diesem Blog geht es um diese Punkte des vereinbarten Pakets, nachdem es im vorangegangenen Post (Post vom 08.03.2015) um die Pläne am Stuttgarter Flughafen gegangen ist. Wir wollen heute genau herausarbeiten, was an den neuen Plänen für den Bahnhof S-Vaihingen und die Panoramastrecke der Gäubahn gut ist, was nicht so gut ist und was dringend geändert werden muss.

Sonntag, 8. März 2015

Der Stuttgart 21-Flughafenmurks geht mit drittem Gleis in eine neue Runde

Die Pläne im Rahmen von Stuttgart 21 für eine Schienenanbindung des Stuttgarter Flughafens sind einmalig ein Europa - einmalig schlecht. Das wurde in diesem Blog bereits in vielen Artikeln ausführlich behandelt. 

Anstatt nun aber den Planungsfehler einzusehen und auf die einzig mögliche und vernünftige Alternative für eine Anbindung des Stuttgarter Flughafens an das Schienennetz - in Form der Hebung der bisher ungenutzten riesigen betrieblichen und verkehrlichen Potenziale des bestehenden Flughafenbahnhofs - umzuschwenken, wurde in den vergangenen Tagen (Einigung zwischen den Projektpartnern von Stuttgart 21 am 06.03.2015) eine neue Murksvariante für die Schienenanbindung des Stuttgarter Flughafens aus dem Hut gezaubert. Ihre Bezeichnung lautet: Variante Drittes Gleis.

Diese Variante sieht ein drittes Gleis parallel zum bestehenden Flughafenbahnhof der S-Bahn vor. Über dieses dritte Gleis soll der Regional- und Fernzugverkehr der Gäubahn eingleisig im Zweirichtungsbetrieb abgewickelt werden. Zusätzlich soll ein neuer Flughafenbahnhof in ca. 27 Metern Tiefe für die Regionalzüge und ICE von Stuttgart nach Tübingen sowie nach Ulm gebaut werden.

Um die neue Planungsvariante zu bewerben, werden von den Betreibern sofort positive Worthülsen in Richtung Öffentlichkeit geschleudert. "Ergänzung um ein drittes Gleis" sowie "bessere Lösung als die Antragstrasse" sind Beispiele, wie die neue Lösung verkauft werden soll.

Im heutigen Artikel in diesem Blog geht es darum nachzuweisen, dass die neue Variante zur Anbindung des Stuttgarter Flughafens an den Schienenverkehr nicht besser als die bisherigen Varianten ist und nach wie vor einen Preis für den schlechtesten Flughafenanschluss in Europa verdient. Dem soll die Alternative für eine gute Schienenanbindung des Stuttgarter Flughafens gegenübergestellt werden.

Sonntag, 22. Februar 2015

Wie Stuttgart 21 der Stuttgarter S-Bahn schadet

Als einzige Metropolregion in Europa baut die Metropolregion Stuttgart ihr regionales Schnellbahnsystem nicht aus. Das Projekt Stuttgart 21 hält die Stuttgarter S-Bahn nicht nur in ihrem derzeitigen Korsett gefangen. Dieses Korsett wird durch Stuttgart 21 sogar noch weiter eingeengt.

Der Sonderweg der Metropolregion Stuttgart in Sachen Ausbau bzw. Nicht-Ausbau des regionalen Schnellbahnsystems wird bei einem Vergleich mit den anderen großen Metropolregionen in Europa besonders deutlich (die Metropolregion Stuttgart ist die 15.größte Metropolregion in Europa). Während die Mehrzahl der 15 größten Metropolregionen in Europa große Ausbauvorhaben bei ihren regionalen Schnellbahnsystemen plant bzw. umsetzt (man denke nur an Crossrail in der Metropolregion London, an Grand Paris Express in der Metropolregion Paris oder an die zweite Stammstrecke der S-Bahn in der Metropolregion München), bewirkt Stuttgart 21, dass in der Metropolregion Stuttgart in Sachen Ausbau des regionalen Schnellbahnsystems ein mindestens 40jähriger Stillstand herrscht. 

Sonntag, 1. Februar 2015

Ist das sogenannte "öffentliche Interesse" von Stuttgart 21 noch zeitgemäß?

"Stuttgart 21 ist im öffentlichen Interesse". Dies wird mantraartig bei jeder Gelegenheit wiederholt. Damit werden in schöner Regelmäßigkeit alle Eigenheiten - oder sollte man sagen: Sonderlichkeiten - von Stuttgart 21 gerechtfertigt. Damit begründen die Politiker und die Behörden jede der inzwischen erlassenen Ausnahmegenehmigungen für dieses Projekt.

Wie aber ist das öffentliche Interesse von Stuttgart 21 begründet?
Wer hat eigentlich festgelegt, dass Stuttgart 21 von öffentlichem Interesse ist?
Wie viele Argumente gegen Stuttgart 21 müssen vorgetragen werden, bevor man das öffentliche Interesse von Stuttgart 21 storniert?

Die Antwort auf diese Fragen können wir hier in diesem Blog nicht geben. Es soll aber an Hand von zwei Beispielen aufgezeigt werden, dass das öffentliche Interesse von Stuttgart 21 schon längst am seidenen Faden über dem Abgrund schwebt und dass bei Anwendung von bundesweit gleichwertigen und objektiven Kriterien das öffentliche Interesse von Stuttgart 21 bereits Geschichte wäre bzw. nie hätte erklärt werden dürfen.

Als erstes Beispiel wählen wir Äußerungen von Bahnchef Grube, die er am 22.01.2015 zum Ausbau des Bahnnetzes in Nordrhein-Westfalen getan hat. Als zweites Beispiel nehmen wir eine Sendung im Radioprogramm SWR 2 vom 03.01.2015, die das Scheitern des Höchstgeschwindigkeits-Bahnverkehrs und auch die Schnellfahrstrecke Köln-Frankfurt zum Thema hatte.

Sonntag, 18. Januar 2015

Die Flughafenanbindung von Stuttgart 21 hat Außenseiterstatus in Deutschland

Die im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 geplante Anbindung des Stuttgarter Flughafens ist nicht nur die umstrittenste Schienenanbindung eines Flughafens in Europa. Diese Anbindung zeichnet sich auch durch Eigenschaften aus, die es in dieser Form bei keinem anderen Flughafen in Deutschland gibt. Das wollen wir im heutigen Post in diesem Blog näher betrachten. Hierzu sehen wir uns die Anbindung aller 35 Verkehrsflughäfen in Deutschland an.

Die geplante Anbindung des Stuttgarter Flughafens im Rahmen von Stuttgart 21 zeichnet sich durch einige Eigenschaften aus, die merkwürdig sind und die aufhorchen lassen:
  • Als einziger Flughafen in Europa soll für den Stuttgarter Flughafen eine ICE-Strecke über einen Flughafen umgeleitet werden, wobei von dieser Umleitung alle ICE-Züge betroffen sind - auch die erdrückende Mehrzahl der am Flughafen nicht anhaltenden ICE. Diese Umleitung erfolgt sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht.
  • Der Stuttgarter Flughafen soll durch eine von der durchgehenden Strecke abzweigende Strecke erschlossen werden, die sich durch eine große Tiefenlage, durch eine nur mit Aufzügen erreichbare, brandschutztechnisch problematische Station sowie durch Kosten auszeichnet, die in Relation zu den Fluggastzahlen wohl weltweit einmalig sind.
  • Um der Flughafenstation mehr Fahrgäste zuzuführen, sollen weitere Bahnlinien über den Flughafen umgeleitet werden - ebenfalls einzigartig in Europa. Dies betrifft die Gäubahn, die Regionalzüge von/nach Tübingen und einige Regionalzüge von/nach Ulm.
  • Die Umleitung der Gäubahn über den Flughafen bringt einen Rückbau der Stuttgarter S-Bahn mit sich, durch die Einrichtung neuer höhengleicher Gleiskreuzungen, durch den Rückbau eines zweigleisigen S-Bahnhofs in einen eingleisigen Bahnhof, sowie durch einen Mischbetrieb zwischen der S-Bahn und den Fern-/Regionalzügen. Auch dies ist in Europa einmalig. Der Normalzustand in den Metropolen Europas ist, dass die Stadtschnellbahnnetze nicht rückgebaut, sondern massiv ausgebaut werden.
Kommen wir nun zu den 35 Verkehrsflughäfen in Deutschland. Bezüglich des Schienenanschlusses lassen sich die Flughäfen in fünf Gruppen (A, B, C, D, E) einteilen. Einige Flughäfen gehören mehreren Gruppen an.

Dienstag, 6. Januar 2015

Gibt es einen Ausweg aus dem Stuttgart 21-Flughafendrama?

In keiner anderen Region in Europa sind der Ausbau des Bahnverkehrs und die Modernisierung des Bahnknotens so umstritten wie in der Region Stuttgart. Und keine andere Region in Europa erlebt solche Kontroversen um die Bahnanbindung ihres Flughafens wie die Region Stuttgart. Die Ursache dafür liegt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht darin, dass die Schwaben nun besonders aufmüpfig oder diskussionsfreudig sind. Die Ursache ist im Projekt Stuttgart 21 selbst zu suchen. Dieses Projekt gibt es in dieser Form kein zweites Mal in Europa - und das aus gutem Grund.

Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir noch einmal kurz nachvollziehen, wie es zu der aktuellen Stuttgart 21-Planung beim Stuttgarter Flughafen gekommen ist. Dann geht es darum, die doppelte Belastung durch Stuttgart 21 für die Einwohner der Region Stuttgart aufzuzeigen. Im Weiteren soll an Hand des Beispiels der Flugpreise am Stuttgarter Flughafen, der wohl inzwischen auf dem Weg zum teuersten Airport Deutschlands ist, aufgezeigt werden, wie die Einwohner der Region Stuttgart über unterschiedlichste Kanäle für Stuttgart 21 bezahlen. Schließlich steht die Frage im Raum, ob es noch einen Ausweg auf dem Stuttgart 21-Flughafendrama gibt.