Donnerstag, 1. März 2012

Wie kann vermieden werden, dass die Bürgerbeteiligung auf den Fildern zum neuen Desaster wird?

Die Landesregierung BW und die Bahn planen nun, im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens zum Bauabschnitt 1.3 von Stuttgart 21 auf den Fildern und beim Flughafen eine Bürgerbeteiligung durchzuführen. Die Erfahrung aus den im Zusammenhang mit Stuttgart 21 bereits durchgeführten Bürgerbeteiligungen legt die Schlussfolgerung nahe, dass die Bürgerbeteiligung für den Abschnitt 1.3 Gefahr läuft, zum Desaster zu werden.



Denn eine richtige Bürgerbeteiligung zum Projekt Stuttgart 21 gab es bisher nicht. Äußerstes Misstrauen ist angesagt, wenn jemand verspricht, dass dies für den Abschnitt 1.3 auf den Fildern anders werden soll. 

Beispiele:
1. Beim Raumordnungsverfahren zu Stuttgart 21 sowie bei den anschließenden, bereits durchgeführten Planfeststellungsverfahren konnten die Bürger das Projekt als solches nicht in Frage stellen. Alternativen wurden nicht berücksichtigt. Allenfalls konnten die Bürger sich zu unwichtigen Details äußern.
2. Der Sach- und Faktencheck unter Heiner Geißler wird jetzt im Nachhinein als unverbindlich dargestellt. In diesem Sinne hat vor kurzem das Verwaltungsgericht Stuttgart geurteilt. Auch die Politik will jetzt im Nachhinein nichts mehr von einer Verbindlichkeit des Geißlerschen "Schlichterspruchs" wissen. Dabei gibt es von der Politik und von der Bahn die Zusage, festgehalten im Fernsehen sowie verewigt auf Wahlplakaten, sich an die Vorgaben von Geißler zu halten.

Hierbei hat man ein deja-vu-Erlebnis. Denn den Frankfurter Bürgern ist es bei der vierten Bahn für den Frankfurter Flughafen nicht anders ergangen. Von dem im dortigen Mediationsverfahren zugesagten absoluten Start- und Landeverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr wollte die Politik wenig später nichts mehr wissen.

Es sollte somit klar sein, dass man als Bürger nur dann bei der geplanten Bürgerbeteiligung für den Bauabschnitt 1.3 auf den Fildern teilnehmen sollte, wenn einige wichtige Dinge vorher verbindlich geklärt sind. Wie dieses "verbindlich" konkret aussieht, sollten Juristen vorher genau festlegen. Es darf auf keinen Fall eine Wiederholung der Geschichte geben in dem Sinne, dass die Bahn und die Politik nach der Bürgerbeteiligung von einmal gemachten Zusagen abrücken. Ebenso wenig darf es sein, dass nur über unwichtige Details, nicht jedoch über Alternativen geredet werden kann. Zu den wichtigen, vorab zu klärenden Dingen gehören:

1. Es muss jedem Bürger freigestellt sein, Vorschläge für den Bauabschnitt 1.3 einzubringen, die eine Alternative zu Stuttgart 21 darstellen. Dazu gehören zum Beispiel die Kombilösung oder der Ausbau des Kopfbahnhofs. Diese Vorschläge werden genau gleich behandelt und gewichtet wie die Vorschläge, die auf Stuttgart 21 aufsetzen.
2. Die für Stuttgart 21 als Ganzes bisher ins Feld geführten Begründungen (z.B. Erhöhung der Kapazität im Bahnverkehr) müssen erneut auf den Prüfstand. Inzwischen liegen zahlreiche HInweise vor, dass diese Begründungen nicht mehr zutreffen. Treffen jedoch die Begründungen für Stuttgart 21 nicht mehr zu und ist das Projekt Stuttgart 21 mit vertretbarem Aufwand nicht heilbar in dem Sinne, dass die Begründungen wieder zutreffen, sind der Bauabschnitt 1.3 auf den Fildern (wie auch alle anderen Bauabschnitte von Stuttgart 21) sowie die diesbezügliche Bürgerbeteiligung hinfällig.

Die Notwendigkeit, Alternativen zur bisher propagierten Planung für den Abschnitt 1.3 einzubringen, ergibt sich aus den folgenden Sachverhalten:
1. Das Eisenbahnbundesamt hat die bisher vorgelegten Planungen mit einem über 25 Meter tief in der Erde liegenden Flughafenbahnhof, zwei weit auseindernliegenden Bahnhöfen beim Flughafen mit einem Umsteigezeitbedarf von 15 Minuten, einem Mischbetrieb zwischen Fern- und S-Bahnzügen im bestehenden Flughafenbahnhof und auf der Strecke Flughafen-Rohrer Kurve, einem eingleisigem Betriebsablauf im bestehenden Flughafenbahnhof und niveaugleichen Gleiskreuzungen bisher nicht genehmigt und diesen Planungen Unreife attestiert.
2. Die vom Bundesverkehrsministerium erteilte Ausnahmegenehmigung für den Mischbetrieb von S-Bahnzügen mit Fernzügen auf der für Fernzüge zu schmalen S-Bahnstrecke vom Flughafen zur Rohrer Kurve ist bis zum Jahr 2035 beschränkt. Nach dem Jahr 2035 muss auf jeden Fall eine separate Strecke für die Fernzüge zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man, dass Stuttgart 21 frühestens im Jahr 2025 (und vielleicht auch erst 2030)* fertig wird, wäre der Mischbetrieb nur für die Dauer von 10 oder sogar nur 5 Jahren durchführbar. Deshalb ist es klar, dass für den Fern- und Regionalverkehr von der Rohrer Kurve bis zum Flughafen von vornherein eine eigene Trasse zur Verfügung stehen muss.

* Zur Vollständigkeit sei angemerkt: Ich bin nach wie vor und mehr denn je der Auffassung, dass Stuttgart 21 bald abgebrochen werden wird und niemals fertiggestellt werden wird. 

Kommen wir nun zu den Vorschlägen und Alternativen, die ein verantwortungsbewusster Bürger bei der geplanten Bürgerbeteiligung auf den Fildern vorbringen sollte.

Es sollten nur solche Vorschläge und Alternativen vorgebracht werden, die das Entstehen der größten Bauruine Europas vermeiden, Vorschläge also, die einen eigenständigen Verkehrswert haben. 
1. Die bestehende S-Bahnstrecke von Rohr zum Flughafen sowie der bestehende Flughafenbahnhof sollen auch in Zukunft ausschließlich von der S-Bahn genutzt werden.
2. Unmittelbar neben dem bestehenden S-Bahnhof Flughafen soll ein neuer Bahnhof für den Regional- und ggf. den Fernverkehr gebaut werden. Das Umsteigen zwischen beiden Bahnhöfen ist auf sehr kurzen Wegen möglich. Der neue Flughafenbahnhof erhält zwei Bahnsteige, jedoch vier Gleise. Die beiden mittleren (bahnsteiglosen) Gleise dienen den durchfahrenden Zügen.
3. Für den Regional- und Fernverkehr soll zwischen der Rohrer Kurve und dem neuen Flughafenbahnhof eine separate Trasse (z.B. entlang der Autobahn A8) gebaut werden. 
4. Zwischen dem neuen Flughafenbahnhof und Wendlingen soll ebenfalls eine Trasse gebaut werden. 
5. Die Maßnahmen 2., 3. und 4. haben einen eigenständigen Verkehrswert und könnten auch ohne Stuttgart 21 in Betrieb gehen.
6. Alles deutet darauf hin, dass der bestehende Kopfbahnhof in Stuttgart auch bei einer Vollendung von Stuttgart 21 ganz oder in Teilen in Betrieb bleiben muss. Deshalb kann eine Anbindung des Hauptbahnhofs an den Flughafen nur im Rahmen der Geißlerschen Kombilösung (sofern man auf Stuttgart 21 aufsetzt) erfolgen. 
7. Das Südportal eines Fildertunnels muss gegenüber den bisherigen Planungen verschoben werden, so dass es südlich der A8 und unmittelbar östlich neben die B27 zu liegen kommt. Von dort folgt die Trasse der B27 im Bogen zum neuen Flughafenbahnhof. Unmittelbar südlich des Fildertunnels mündet die neue Strecke von der Rohrer Kurve ein. Alle vom Fildertunnel kommenden Züge fahren durch den neuen Filderbahnhof. Eine Aufteilung auf zwei Strecken (Autobahnstrecke und Ausschleifung zum Flughafen) gibt es nicht mehr.
8. Die Gäubahn (Panoramastrecke) bleibt in Betrieb. Züge aus Böblingen, die den Stuttgarter Kopfbahnhof anfahren, halten zukünftig auch in S-Vaihingen. Von dort geht es mit der S-Bahn in wenigen Minuten zum Flughafen.    

Mit diesen Vorschlägen müsste es möglich sein, das Schlimmste noch zu verhindern. Sollte es nicht gelingen, einen Durchgangsbahnhof im Stuttgarter Talkessel zu bauen und/oder sollte der Fildertunnel nicht gelingen und/oder sollte Stuttgart 21 bald scheitern, hätten die genannten Maßnahmen trotzdem einen Verkehrswert - auch für den Flughafen. Die skizzierte Lösung kommt ohne Ausnahmegenehmigungen aus, sie ist fahrgastfreundlich und betriebsfreundlich.

Aber es sei noch einmal gesagt: Ohne vorherige juristisch verbindliche Zusicherung einer Berücksichtigung der alternativen Vorschläge sollte der verantwortungsbewusste Bürger erst gar nicht an der Bürgerbeteiligung teilnehmen.        

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