Freitag, 16. Dezember 2016

Neuer IRE Stuttgart-Lindau bestätigt die Favoritenrolle der Kombilösung für den Bahnknoten Stuttgart

Zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2016 wurde der Interregio-Express (IRE) von Stuttgart über Ulm nach Lindau vollkommen neu konfiguriert. Wir werden heute in diesem Blog sehen, warum der neukonfigurierte IRE Stuttgart-Lindau ein weiterer wichtiger Grund ist, die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart an Stelle von Stuttgart 21 im Rahmen einer Kombilösung zu realisieren.

Das Land Baden-Württemberg als Aufgabenträger für den Regionalverkehr hat das Netz "Stuttgart-Ulm-Bodensee" neu ausgeschrieben. Gewinner war die DB ZugBus RAB. Die Leistungen werden seit dem 11.12.2016 erbracht.

Vorgaben des Landes für den neuen IRE-Service Stuttgart-Lindau waren unter anderem der Stundentakt Stuttgart-Lindau an Stelle des bisherigen Zwei-Stunden-Takts sowie die zusätzliche Bedienung des Bahnhofs der über 90.000 Einwohner-Stadt Esslingen am Neckar. Darüber hinaus sind nun beim IRE Stuttgart-Lindau neue Fahrzeuge unterwegs, die mehr Komfort und zusätzliche Serviceleistungen bieten.

Eine ganz wichtige Änderung beim IRE-Service Stuttgart-Lindau wurde jedoch im Vorfeld kaum kommuniziert. Bisher war die zweistündlich verkehrende IRE-Linie Stuttgart-Lindau die mit Abstand verspätungsanfälligste Linie von allen Regionallinien, die den Stuttgarter Hauptbahnhof anfahren. Das hatte viele Gründe. Beispielhaft konnte man beim IRE Stuttgart-Lindau auch den Mechanismus von Initialverspätung und Folgeverspätungen studieren. 


Ein ganz wichtiger Verspätungsgrund beim IRE Stuttgart-Lindau ist nun jedoch weggefallen. Der IRE Stuttgart-Lindau hatte bisher im Stuttgarter Hauptbahnhof eine Aufenthaltszeit von nur vier Minuten. Die Züge kamen kurz vor der vollen Stunde aus Richtung Lindau im Hauptbahnhof an und fuhren kurz nach der vollen Stunde bereits wieder zurück nach Lindau. Wegen des starken Fahrgastandrangs beim sehr beliebten IRE Stuttgart-Lindau war die Fahrgastwechselzeit im Stuttgarter Hauptbahnhof jedoch selten unter vier Minuten zu haben. Züge, die aus Richtung Lindau mit einer Verspätung im Stuttgarter Hauptbahnhof ankamen, fuhren somit zwangsläufig mit einer mindestens ebenso großen Verspätung wieder zurück nach Lindau. In der Folge gab es dann wegen fehlender Fahrplantrassen weitere Folgeverspätungen.

Folgeverspätungen sind beim IRE Stuttgart-Lindau nun entfallen
Dieser kurze Aufenthalt der IRE-Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof ist seit dem Fahrplanwechsel weggefallen. Die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der IRE-Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof ist in etwa gleichgeblieben. Die große Änderung besteht jedoch darin, dass der ankommende Zug nicht mehr derselbe ist wie der gleich darauf abfahrende Zug. Der in Richtung Lindau abfahrende IRE ist ein anderer Zug als der kurz zuvor angekommene IRE. Für die Abfahrt in Richtung Lindau steht der Zug jetzt bereits 10 bis 15 Minuten vor der Abfahrt im Stuttgarter Hauptbahnhof bereit. Der aus Richtung Lindau ankommende Zug fährt auf einem anderen Gleis ein.

Das hat für die Fahrgäste außer der größeren Pünktlichkeit noch weitere Vorteile. Die Fahrgäste können im Stuttgarter Hauptbahnhof den Zug nach Lindau bequem und bereits einige Minuten vor der Abfahrt besteigen. Zudem entfällt das Gedränge beim bisherigen Aus- und Einsteigen. Die auf den Bahnsteigen stehenden Fahrgäste haben bisher das Aussteigen der Fahrgäste aus dem angekommenden Zug erschwert.

Die Kombilösung ist Favorit für die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart
Mit diesen Kenntnissen können wir jetzt die Brücke zur Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart schlagen. Die bisherigen - unvorteilhaften - Verhältnisse beim IRE Stuttgart-Lindau im Stuttgarter Hauptbahnhof sind nämlich nichts anderes als das Betriebsmodell mit der Durchbindung der meisten Regionalzüge, das bei Stuttgart 21 gelten soll. Die neuen - vorteilhaften - Verhältnisse beim IRE Stuttgart-Lindau entsprechen dagegen den Betriebsverhältnissen, wie sich beim Kopfbahnhof bzw. bei einer Kombilösung möglich sind.

Erst vor kurzem hat SSB-Vorstand Arnold vor dem Verkehrsausschuss des Stuttgarter Gemeinderats die Durchbindung aller Regionalzüge einschließlich der Metropolexpress-Züge als einen der wichtigsten Vorteile von Stuttgart 21 dargestellt. Arnold irrt hier. Die Durchbindung der Regionalzüge ist keineswegs so vorteilhaft, wie dies vielleicht auf den ersten Blick scheint. Im Gegenteil ist bei einem Bahnknoten wie Stuttgart die Durchbindung der Regionalzüge unter dem Strich sogar nachteilig.

Arnold hat in Bezug auf die Durchbindung von Regionalzügen auch auf die vorhandene Durchbindung bei den Straßenbahn-/Stadtbahn-/U-Bahnlinien sowie bei der S-Bahn verwiesen. Lassen wir mal den städtischen Schienenverkehr, der ganz andere Randbedingungen aufweist, außen vor. Bei einer näheren Betrachtung des Stuttgarter S-Bahnnetzes stellt man fest, dass keineswegs alle S-Bahnlinien durchgebunden werden. Von sechs Linien der Stuttgarter S-Bahn werden nur drei durchgebunden. Die anderen drei enden in der Innenstadt. Von den drei Linien, die durchgebunden werden, wird nur eine Linie (die S1) wirklich von Region zu Region durchgebunden. Bei der S2 und der S3 endet jeder zweite Zug in Stuttgart-Vaihingen und wird somit ebenfalls nicht wirklich durchgebunden. Halten wir also fest, dass weit weniger als die Hälfte der Stuttgarter S-Bahnzüge wirklich durchgebunden werden.

Nicht einmal die S-Bahn wird konsequent durchgebunden
Das hat seine Ursache unter anderem auch darin, dass die Nachfrage sowie die betrieblichen Randbedingungen in den einzelnen Himmelsrichtungen der Region Stuttgart keineswegs identisch sind. Was für die S-Bahn gilt, gilt erst recht auch für den Schienen-Regionalverkehr.

In einem früheren Post in diesem Blog haben wir uns bereits den Hauptbahnhof von Karlsruhe (ein Durchgangsbahnhof) angesehen. Dort wären theoretisch viele Durchbindungen von Regionalzuglinien möglich. Es wird jedoch in der Praxis keine einzige Regionalzuglinie durchgebunden. Das muss doch Gründe haben! Bei vielen anderen Hauptbahnhöfen wird man ähnliche Verhältnisse beobachten.

Kommen wir noch einmal zum IRE Stuttgart-Lindau zurück. Die bei Stuttgart 21 angestrebte Durchbindung aller Regional- und Metropolexpress-Züge mit einer sehr kurzen Aufenthaltszeit im Stuttgarter Hauptbahnhof würde die Verspätungen im Netz zunehmen lassen, weil die Züge diejenigen Verspätungen, die sie aus einem Streckenast mitgebracht haben, in den anderen Streckenast mitschleppen. Die früheren Verhältnisse beim IRE Stuttgart-Lindau - mit zum Teil großen Verspätungen und mit gefühlt jedem zweiten Zug als verspäteter Zug - würden sich dann auf das gesamte Regionalbahnnetz in BW ausweiten.

Mehr Nachteile als Vorteile für die Fahrgäste aus der Durchbindung
Auch für die Fahrgäste bringt die Durchbindung aller Regionalzüge im Stuttgarter Hauptbahnhof - wie bei Stuttgart 21 vorgesehen - kaum Vorteile und sogar Nachteile.

Wem nutzt denn eine solche Durchbindung überhaupt? Stellen wir mal eine Plausibilitätsbetrachtung an. Wenn jemand hierzu genaue Zahlen hat, kann er gerne die Plausibilitätsbetrachtung mit diesen Zahlen unterfüttern. 

Ein Teil der Fahrgäste, die mit dem Regionalzug zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren, will dort in den Fernverkehr umsteigen (Zubringerfunktion).
Ein weiterer Teil dieser Fahrgäste - ein relativ großer Teil sogar - will im Stuttgarter Hauptbahnhof in die S-Bahn umsteigen.
Ein weiterer Teil dieser Fahrgäste will beim Stuttgarter Hauptbahnhof für die Weiterfahrt in die Stadtbahn und in den Linienbus umsteigen.
Ein weiterer Teil dieser Fahrgäste will vom Stuttgarter Hauptbahnhof zu Fuß weitergehen, zum Beispiel in die Stuttgarter Innenstadt.

Es verbleibt somit ein Restteil der Fahrgäste, die im Stuttgarter Hauptbahnhof in einen anderen Regionalzug umsteigen wollen. Ist eine Durchbindung aller Regionalzuglinien somit wenigstens für diesen Restteil der Fahrgäste vorteilhaft? Nein! Nicht einmal das! Denn die Durchbindung aller Regionalzuglinien erspart ja nur denjenigen Fahrgästen das Umsteigen, die einerseits mit dem Regionalzug weiterfahren wollen und die andererseits zufälligerweise gerade in diejenige Richtung weiterfahren wollen, in der die Durchbindung erfolgt. Alle anderen Fahrgäste müssten dann trotzdem auch bei gegebener Durchbindung im Stuttgarter Hauptbahnhof in einen anderen Regionalzug umsteigen.

Die Durchbindung aller Regionalzüge im Stuttgarter Hauptbahnhof hat sogar unter dem Strich mehr Nach- als Vorteile für alle Fahrgäste. Denn auch der übergroße Teil der Fahrgäste, für den die Durchbindung nichts bringt, leidet unter der Durchbindung - und das gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen nehmen die Verspätungen im Gesamtnetz als Folge der Durchbindung zu. Und zum anderen nimmt als Folge der Durchbindung der Freiheitsgrad bei der Fahrplangestaltung ab, weil die bei einer Strecke gegebene Fahrtenlage eines Zuges auch in die andere Strecke der Durchbindung weitergeführt werden muss.

Die Durchbindung von Regionalzügen ist kein Grund für Stuttgart 21
Die Durchbindung aller Regional- und Metropolexpress-Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof ist somit kein erstrebenswertes Ziel. Damit aber gibt es keinen Grund mehr für Stuttgart 21. Dagegeben gibt es zahlreiche Gründe für die Kombilösung als beste Variante beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart.

Bei der Kombilösung gibt es zwei Bahnhöfe, einen sechsgleisigen Durchgangsbahnhof mit breiteren Bahnsteigen als bei Stuttgart 21 sowie einen zehngleisigen Kopfbahnhof. Beide Bahnhöfe bilden zusammen ein starkes Team. Denn jeder der beiden Bahnhöfe bringt in das Team seine spezifischen Stärken ein.

Was sind die Stärken des Durchgangsbahnhofs? Dieser Bahnhofsteil ist hervorragend geeignet, die in Stuttgart durchgebundenen Fernzüge der Hauptachse Mannheim-Stuttgart-München und anderer Nebenachsen sowie der Magistrale Paris-Budapest zu bedienen. Darüber hinaus wird es eine Metropolexpress-Linie und eine schnelle Regionallinie geben, die in Stuttgart durchgebunden werden und die ebenfalls im Durchgangsbahnhof verkehren. Das sind - vollkommen unverbindliche Annahme - die Linien Heilbronn-Stuttgart-Flughafen-Tübingen und Karlsruhe-Stuttgart-Flughafen-Ulm-Lindau.

Was sind die Stärken des Kopfbahnhofs? Dieser Bahnhofsteil ist hervorragend geeignet, die in Stuttgart beginnenden und endenden Züge zu bedienen. Das sind einerseits alle Fernzüge, die in Stuttgart beginnen und enden. Das ist aber andererseits vor allem auch die Mehrzahl der Regionalzüge einschließlich der Metropolexpress-Züge.

Fazit
Am Beispiel des IRE Stuttgart-Lindau, der zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2016 neu konfiguriert worden ist, lässt sich hervorragend die Überlegenheit der Kombilösung im Vergleich zu Stuttgart 21 beim Ausbau des Bahnknotens Stuttgart sehen. Für die Migration von Stuttgart 21 hin zur Kombilösung ist es noch nicht zu spät. Allerdings sollten die Politiker diesbezüglich jetzt langsam aus den Startlöchern kommen.

                              

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