Montag, 15. Dezember 2014

Flughafenchef Fundel sagt bei Schlüsselinterview mit Aero International kein Wort zu Stuttgart 21

Aero International ist die bedeutendste deutschsprachige Zeitschrift zum zivilen Luftverkehr. In der am 12.12.2014 erschienenen Ausgabe 1/2015 von Aero International ist ein zweiseitiges Interview mit dem Chef des Stuttgarter Flughafens, Prof. Georg Fundel, abgedruckt. Dieses Interview muss als wegweisend bezeichnet werden. Denn im Durchschnitt schafft es ein jeder deutschsprachige Flughafen vielleicht alle 15 oder 20 Jahre, dass ein Interview mit seinem Chef in Aero International abgedruckt wird.

Das Wichtigste zu diesem Interview gleich vorweg: Mit keinem Wort wird in diesem Interview Stuttgart 21 oder die NSB Wendlingen-Ulm erwähnt. Dabei wird in diesem Interview durchaus auch die Perspektive des Stuttgarter Flughafens für die kommenden 15 Jahre beleuchtet. Gehen wir im Folgenden näher auf dieses interessante Interview ein, auf das was gesagt wurde, und auf das, was nicht gesagt wurde. 


Gleich zu Anfang des Interviews bezieht sich der Fragesteller auf den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, den Grünen Verkehrsminister Hermann. Der Stuttgarter Flughafen wurde im Sommer 2014 als nachhaltigster Flughafen in Europa ausgezeichnet. Fundel wird nun gefragt, ob hier bereits der Einfluss von Verkehrsminister Hermann sichtbar wird.

Fundel antwortet höflich. Er betont, dass das Thema der Nachhaltigkeit bereits vor der Zeit des Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann aktuell war. Dann aber sagt Fundel einen wichtigen Satz. Er betont, dass seine und die Auffassungen von Verkehrsminister Hermann gar nicht weit auseinanderliegen. Darauf werden wir im Zusammenhang mit Stuttgart 21 später noch zurückkommen.

Dann wird es hochinteressant. Auf die stagnierenden bzw. sinkenden Fluggastzahlen angesprochen antwortet Fundel, dass die Landesregierung den Flughafen sogar dafür lobt, wenn die Fluggastzahlen nicht weiter zunehmen. Diese Bemerkung gibt Rätsel auf. Soll das dann doch eine versteckte Kritik an der Landesregierung sein? Oder haben sich Landesregierung und Flughafen inzwischen vergegenwärtigt, dass Stuttgart 21 dem Flughafen keineswegs mehr Fluggäste bringen wird, wie immer wieder versprochen?

Die Grünen sind Vielflieger
Auch die Landesregierung verhält sich hier rätselhaft. Ebenfalls in der Ausgabe 1/2015 von Aero International wird über eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zur Häufigkeit des Fliegens bei den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland berichtet. In diese Umfrage wurde auch die Parteipräferenz mit einbezogen. Auf die Frage, ob sie in den letzten 12 Monaten geflogen sind, antworteten mit Ja:
49 Prozent der Grünen Anhänger
42 Prozent der Linke-Anhänger
36 Prozent der Anhänger der CDU
32 Prozent der Anhänger der SPD
Die Grünen sind also Vielflieger. Das kommt zum einen sicher daher, dass die Wähler der Grünen eher den oberen Einkommensschichten zuzuordnen sind. Zum anderen haben manche Grünenwähler wohl auch ein Elitedenken. Man ist durchaus dafür, dass nicht mehr so viel geflogen wird. Das gilt aber nicht für einen selber, denn man selbst fliegt ja für einen guten Zweck, zum Beispiel um die Nationalparks der USA zu besuchen oder um sich auf eine ursprüngliche Ägäisinsel zurückzuziehen.

Jedenfalls sollte man diese etwas merkwürdige Konstellation bei den Grünen und ihren Wählern berücksichtigen. Damit lässt sich Einiges erklären, unter anderem auch der Eiertanz, den die Grünen bei Stuttgart 21 aufführen.

Welchen Einfluss haben die Flughäfen Frankfurt, München und Zürich auf den Stuttgarter Flughafen?
Kommen wir aber wieder zurück zum Interview mit Fundel in Aero International. Irgendwann im Verlauf dieses Interviews wird Fundel die Gretchenfrage gestellt. Er wird auf die Nähe des Stuttgarter Flughafens zu den drei Groß- und Knotenflughäfen Frankfurt/Main, München und Zürich angesprochen. Er wird gefragt, ob das ein Fluch oder ein Segen ist.

Fundel antwortet, dass dies ein Fluch ist. Damit ist die Katze aus dem Sack. Fundel leidet also darunter, dass der Stuttgarter Flughafen so unbedeutend im Vergleich mit den benachbarten Flughäfen ist. Er hätte gerne wesentlich mehr Passagiere in Stuttgart. Er trauert wohl dem Umstand nach, dass der Stuttgarter Flughafen nie ein Knotenpunktsflughafen war und nie einer werden wird.

Allerdings sieht er zur Zeit nur den Frankfurter und den Zürcher Flughafen als direkte Konkurrenz. Der Münchner Flughafen wird laut Fundel erst in den kommenden Jahren eine Konkurrenz, wenn die Autobahn von Stuttgart nach München fertig ausgebaut ist. Jetzt hält man fast den Atem an. Was für eine Erkenntnis! Wohl wahr - und doch unvollständig. Die NBS Wendlingen-Ulm und Stuttgart 21 erwähnt Fundel mit keinem Wort. Dabei würden auch die NBS und Stuttgart 21 Fluggäste nach München abziehen. Oder noch deutlicher ausgedrückt: Die NBS und Stuttgart 21 bringen dem Flughafen weniger zusätzliche Fluggäste als sie Fluggäste von Stuttgart nach München abziehen.

Die Zukunft des Flughafens findet ohne Stuttgart 21 statt
Auch um die Zukunft des Flughafens geht es im Interview. Fundel wird gefragt, wie es mit einer zweiten Start- und Landebahn aussieht. Darauf gibt Fundel eine eindeutige Anwort. Es gibt in den kommenden 15 Jahren nicht einmal den Gedanken an eine zweite Start- und Landebahn. Denn durch den Einsatz größeren Fluggeräts hat sich die Zahl der in Stuttgart startenden und landenden Flugzeuge so vermindert, dass Slots in Hülle und Fülle vorhanden sind. 

Spätestens wenn es um die Zukunft des Flughafens geht, müsste doch jetzt endlich im Interview die Rede auf Stuttgart 21 kommen. Aber nein, da herrscht das Schweigen im Walde. Weder spricht die Redaktion von Aero International das Thema an, noch kommt Fundel von sich aus auf Stuttgart 21 zu sprechen.

Was kann man nun aus diesem wichtigen und denkwürdigen Interview folgern? Ich bin der Auffassung, dass man durchaus etwas folgern kann. Möglicherweise hat der Stuttgarter Flughafen jetzt verstanden, dass ihm Stuttgart 21 nichts bringt. Und möglicherweise hat das auch die Landesregierung verstanden.

Landesregierung und Flughafen sollten jetzt schleunigst den Zuschuss für Stuttgart 21 zurückfordern
Hoffen wir, dass dies so ist. Wenn es so ist, sollten sich Flughafen und Landesregierung jetzt aber ganz schnell darauf einigen, dass der Stuttgarter Flughafen seinen Beitrag an Stuttgart 21 in Höhe von weit über 200 Mio Euro zurückfordert. Das ist auch deshalb erforderlich, weil der Flughafen nur für solche Dinge Geld ausgeben darf, die seinen Unternehmenserfolg sicherstellen. Das ist mit Stuttgart 21 nicht der Fall.

An Stelle von Stuttgart 21 am Flughafen müssen dringend die großen Potenziale und Reserven des bestehenden Flughafenbahnhofs genutzt werden. Dafür könnte der Flughafen einen kleinen Beitrag leisten. Es muss eine dritte S-Bahnlinie eingerichtet werden, die als Express-S-Bahn vom Hauptbahnhof über S-Vaihingen, den Flughafen und Wendlingen nach Plochingen fährt. Die beiden bereits den Flughafen bedienenden S-Bahnlinien müssen nach Nürtingen und nach Kirchheim/Teck verlängert werden. Dies und weitere Ausbaumaßnahmen verbessern die Anbindung des Flughafens an die Metropolregion Stuttgart entscheidend - und aus der Metropolregion Stuttgart kommt der Großteil der Fluggäste des Stuttgarter Flughafens.

Das Versagen des Verbands Region Stuttgart
Dieser massive Ausbau des S-Bahnanbindung des Flughafens im Rahmen eines etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart und unter Nutzung der großen Potenziale und Reserven des bestehenden Flughafenbahnhofs ist jedoch auch für die Stuttgarter S-Bahn selbst von enormer Bedeutung. Das Netz der S-Bahn wird dadurch vergrößert. Das Bedienungsgebiet wird erweitert. Die Stammstrecke der S-Bahn wird entlastet, indem viele Fahrten, die heute noch über die Stammstrecke führen, zukünftig über die Fildern geleitet werden.

Nun haben wir es leider in der Region Stuttgart mit einem ganz merkwürdigen Phänomen zu tun. Der eigentlich für die S-Bahn zuständige Verband Region Stuttgart stellt sich gegenüber diesen Erfordernissen eines Ausbaus und einer Verbesserung der S-Bahn praktisch taub und fördert statt dessen Stuttgart 21, ein Projekt, das der S-Bahn eher schadet als nützt. Dies ist ein fundamentales Versagen einer Institution.

Vor diesem Hintergrund kommt jetzt dem Flughafen-Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann und dem Flughafenchef Fundel eine Schlüsselrolle zu. Angesichts des Versagens des Verbands Region Stuttgart müssen jetzt Hermann und Fundel das Ruder herumreißen, die Gelder des Flughafens für Stuttgart 21 zurückfordern und den massiven Ausbau der Stuttgarter S-Bahn mit der damit verbundenen drastischen Verbesserung der Anbindung des Stuttgarter Flughafens vorantreiben. 

Vielleicht ist dies hinter den Kulissen ja bereits im Gange. Denn wie anders lässt sich das vollständige Fehlen des Themas Stuttgart 21 im Fundel-Interview zum Stuttgarter Flughafen erklären?          


       

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