Mittwoch, 13. November 2013

Mit der Express-S-Bahn aus der Stuttgart 21-Sackgasse, Teil 1

Wie kann man den Bahnknoten Stuttgart stärken, ohne die zahlreichen Fehler und Defizite des Projekts Stuttgart 21 zu wiederholen? In diesem Blog kam bereits mehrfach das Produkt einer Express-S-Bahn zur Sprache. Zusammen mit anderen Ausbaumodulen kann die Express-S-Bahn den Bahnknoten Stuttgart modernisieren, seine Kapazität erweitern und eine auch von der Bevölkerung mitgetragene Perspektive für die Zukunft des Bahnverkehrs in der Region Stuttgart und in BW bieten.  

Mit dem Instrument der Express-S-Bahn - so war stets die These in diesem Blog - lässt sich die Anbindung des Flughafens an das Bahnnetz von ganz BW fundamental verbessern. Gleichzeitig ist eine solche Express-S-Bahn in der Lage, die überlastete Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn zu entlasten. Die Express-S-Bahn bringt zudem einen tatsächlichen Zuwachs an Zügen und Zugkilometern für den Bahnknoten Stuttgart und damit eine echte Leistungssteigerung. Nicht zuletzt kommt die Express-S-Bahn in einer ersten Ausbaustufe mit Zeithorizont 2019 fast ohne die vielfach so problematischen Tunnels aus.

Wir wollen uns im heutigen und in den folgenden Posts in diesem Blog näher mit der Express-S-Bahn und mit der Erweiterung des Stuttgarter S-Bahnnetzes sowie dem etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart befassen. Heute geht es um das Produkt der Express-S-Bahn. Im folgenden Post (veröffentlicht am Sonntag, den 17.11.2013) soll dann eine erste Stufe eines erweiterten S-Bahnnetzes in der Region Stuttgart und eine erste Stärkung des Bahnknotens Stuttgart mit Zeithorizont 2019 das Thema sein. Im dritten Post der kleinen Reihe (veröffentlicht am Mittwoch, den 20.11.2013) wollen wir für diese erste Stufe eines erweiterten S-Bahnnetzes und verbesserten Bahnknotens Stuttgart einen konkreten Fahrplanentwurf vorlegen, der den Bereich zwischen Hauptbahnhof-Vaihingen-Herrenberg-Flughafen-Nürtingen-Wendlingen und Plochingen sowie die S-Bahn und die mit ihr in Interaktion tretenden Regionalzüge umfasst. Ab dem vierten Post der kleinen Reihe (veröffentlicht am Sonntag, den 24.11.2013) soll eine zweite Ausbaustufe der Express-S-Bahn und des Bahnknotens Stuttgart beschrieben werden, deren Zeithorizont ca. bei 2030 liegen wird.


Warum braucht es zum Begriff S-Bahn noch den Begriff "Express"?
Man kann sich in der Tat zunächst einmal fragen, warum man zusätzlich zum Begriff S-Bahn überhaupt noch den Begriff Express benötigt. Gemäß der wikipedia wurde der Begriff S-Bahn in den Jahren 1928-30 in Berlin geprägt. Höchstwahrscheinlich war die S-Bahn die Abkürzung für die damals neue Stadtschnellbahn in Berlin. 

Wenn man sich die heutigen S-Bahnsysteme ansieht, kann man diesen Systemen das Attribut "schnell" nicht uneingeschränkt zuerkennen. Die Beschleunigung der Züge ist mit 1,0 m/s² tatsächlich für die Eisenbahn sehr schnell. Die S-Bahn hält jedoch im Durchschnitt wesentlich häufiger als andere Zuggattungen. Von daher ist die S-Bahn eher langsam. Sie hat eine relativ kleine Beförderungsgeschwindigkeit.   

Wie ist die Express-S-Bahn definiert?
Wir versuchen es mal mit der folgenden Definition: Die Express-S-Bahn ist identisch mit der herkömmlichen S-Bahn mit nur einer Ausnahme, dass die Express-S-Bahn nicht an jedem Haltepunkt zum Fahrgastwechsel anhält.

Die Express-S-Bahn hat somit dieselben Fahrzeuge wie die herkömmliche S-Bahn. Sie fährt auf denselben Strecken, sie fährt dieselben Bahnhöfe und Haltepunkte an. Sie hat denselben Betreiber wie die herkömmliche S-Bahn und denselben Besteller. Sie wird von denselben Fahrern/Fahrerinnen gefahren. Ihre Fahrzeuge stehen in denselben Betriebshöfen und werden in denselben Werkstätten gewartet wie die Fahrzeuge der herkömmlichen S-Bahn. Die Express-S-Bahn ist in das Liniennetz der S-Bahn einbezogen. Sie fährt innerhalb desselben Tarifsystems wie die herkömmliche S-Bahn. Es ist sogar möglich, dass ein und dieselbe Linie auf Abschnitten als herkömmliche S-Bahn und auf anderen Abschnitten als Express-S-Bahn verkehrt.   

Wo soll die Express-S-Bahn halten?
Losgelöst vom Einzelfall sollte man für die Express-S-Bahn allgemeine Systemparameter aufstellen. Hier stellt sich dann die Frage, an welchen Bahnhöfen und Haltepunkten die Züge der Express-S-Bahn mindestens halten sollen. Drei Kriterien sollen hier genannt werden. Die Express-S-Bahn soll mindestens anhalten:
  • an Bahnhöfen, an denen Regionalzüge halten
  • an Bahnhöfen, die bei Streckenverzweigungen liegen
  • an Bahnhöfen mit regional wichtigen Infrastruktureinrichtungen
Wenn man das mal mit konkreten Beispielen hinterlegen wollte, dann könnte man zum zweiten Kriterium den Bahnhof Stuttgart-Zuffenhausen anführen. Dort halten zwar zur Zeit keine Regionalzüge, es liegt hier jedoch eine Streckenverzweigung vor, so dass die Express-S-Bahn hier halten muss, sollte sie eines Tages auf dieser Strecke fahren. Zum dritten Kriterium passt selbstverständlich der bestehende Flughafen- bzw. Messebahnhof.

In Bezug auf die Stuttgarter Innenstadt gilt für die Express-S-Bahn, dass sie nicht auf der Stammstrecke der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof (tief) und Schwabstraße fährt. Das müsste eigentlich selbstverständlich sein, denn die Stammstrecke ist ausgelastet. Die Express-S-Bahn soll die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn ja entlasten. In der ersten Ausbaustufe des Bahnknotens Stuttgart halten die Züge der Express-S-Bahn, die die Stuttgarter Innenstadt anfahren, im Stuttgarter Kopfbahnhof. Dort ist für die Aufnahme dieser Züge zur Zeit noch Platz vorhanden. In der zweiten Ausbaustufe mit Zeithorizont 2030 halten die Züge der Express-S-Bahn allerdings dann nicht mehr im Kopfbahnhof, weil die Kapazität des Kopfbahnhofs dann erschöpft sein dürfte. Wie es im zweiten Ausbauabschnitt des Bahnknotens Stuttgart weiter geht, ist wie gesagt das Thema im Post vom 24.11.2013.

Dürfen die Express-S-Bahnzüge an S-Bahnhöfen ohne Halt durchfahren?
Im Bahnbetrieb dürfen Züge stets ohne Halt an Bahnsteigen durchfahren, wenn bestimmte Voraussetzungen in den Bahnhöfen gegeben sind. Das Durchfahren von Zügen ohne Halt gibt es seit jeher auch im Netz der Stuttgarter S-Bahn. So fahren zum Beispiel auf den Abschnitten S-Vaihingen - Herrenberg, Waiblingen-Schorndorf, Waiblingen-Backnang und Plochingen-Wendlingen die Regionalzüge und teilweise sogar die Fernzüge ohne Halt an den Bahnsteigen der S-Bahn vorbei. Es gibt sogar Abschnitte, wo Güterzüge direkt an den Bahnsteigen der S-Bahn vorbeifahren. Es ist unerheblich, ob jetzt Regionalzüge oder Züge der Express-S-Bahn an den Bahnsteigen ohne Halt durchfahren.

Warum lässt man an Stelle der Express-S-Bahn nicht Regionalzüge fahren?
Man könnte hierauf zunächst einmal antworten, dass die S-Bahn ein Verkehrsmittel der Region Stuttgart ist und auch die Express-S-Bahnen nicht über die Region Stuttgart und über das Verbundgebiet des VVS hinausfahren sollen. Die Express-S-Bahnen können zukünftig eine Rolle spielen, um etwa die Städte Nürtingen, Vaihingen/Enz oder auch Göppingen und Geislingen/Steige an das S-Bahnnetz anzubinden sowie um zusätzliche S-Bahnzüge zu fahren bei gleichzeitiger Entlastung der S-Bahn-Stammstrecke. Die Züge der Express-S-Bahn sollen hierbei zum größten Teil an denselben Bahnsteigen halten wie die Züge der herkömmlichen S-Bahn.

Jetzt gilt es allerdings kurz innezuhalten und ein mögliches Missverständnis auszuräumen. Mit "Region Stuttgart" meine ich hier ausschließlich den geographischen Begriff und nicht den Verband Region Stuttgart. Es dürfte wohl zu den größten verkehrspolitischen Fehlern in der Geschichte der Landespolitik Baden-Württembergs gehören, die Zuständigkeit für die Stuttgarter S-Bahn dem Verband Region Stuttgart zu übertragen. Dieser Fehler sollte baldmöglichst rückgängig gemacht werden. Die Zuständigkeit für die Stuttgarter S-Bahn muss beim Land BW angesiedelt sein und bleiben. Der Verband Region Stuttgart ist viel zu schwach, um der mächtigen Bahn Paroli bieten zu können. Zudem hat der Verband Region Stuttgart mit seiner einseitigen Ausrichtung auf Stuttgart 21 und der damit verbundenen Vernachlässigung der S-Bahn auf dem Arbeitsgebiet des öffentlichen Verkehrs versagt. Als Ergebnis haben wir heute in der Region Stuttgart das schlechteste S-Bahnnetz unter allen vergleichbaren Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Kommen wir aber wieder zurück zum Thema Express-S-Bahn versus Regionalzüge. Ein weiterer wichtiger Grund, die Express-S-Bahn an Stelle von zusätzlichen Regionalzügen in der Region Stuttgart zu betreiben, ist die bestehende S-Bahnstrecke vom Flughafen nach S-Vaihingen. Diese im Jahr 1993 eröffnete Strecke ist ausschließlich für den S-Bahnbetrieb gebaut worden. Stuttgart 21 sieht vor, dass auf dieser Strecke auch Regionalzüge und Fernzüge fahren sollen.

Der geplante Mischbetrieb zwischen S-Bahn und Fern-/Regionalzügen zwischen Flughafen und Rohr muss verhindert werden
Der Mischbetrieb ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zum einen ist für die Benutzung dieser S-Bahnstrecke durch Regional- und Fernzüge eine Ausnahmegenehmigung des Bundesverkehrsministers erforderlich. Denn diese für den S-Bahnverkehr gebaute Strecke darf gemäß den geltenden Richtlinien nicht von den mehr Platz als die S-Bahn beanspruchenden Regional- und Fernzügen befahren werden. Als Voraussetzung für das Befahren der Strecke durch Regional- und Fernzüge muss man den Abstand zwischen den beiden Gleisen vergrößern. Das führt aber dazu, dass dann auf der Außenseite des Bahnkörpers der Sicherheitsraum nicht mehr ausreichend bemessen ist.

Zudem muss für die Mitbenutzung der Strecke durch Regional- und Fernzüge der bestehende zweigleisige, hochmoderne und noch große Reserven aufweisende Flughafenbahnhof in zwei eingleisige Bahnhöfe zerlegt und damit mehr oder weniger kaputtgemacht werden. Dies führt auch zur Anlage von höhengleichen Gleiskreuzungen, die die Kapazität des Bahnhofs und der Strecke weiter einschränken werden. Nicht zuletzt bringt auch die Rohrer Kurve eine weitere  höhengleiche Gleiskreuzung mit sich. Hierbei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass die Rohrer Kurve selbst äußerst problematisch und eigentlich nicht erforderlich ist.  

Während der Schlichtung zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler haben die Vertreter der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 Alternativplanungen vorgelegt, die verschiedene Regionalzüge auf dieser S-Bahnstrecke vorgesehen haben. Hier stellt sich allerdings dann dasselbe Problem wie beim Projekt Stuttgart 21. Die sauberste Lösung ist jedenfalls, die nur für den S-Bahnverkehr gebaute Strecke zwischen Flughafen und S-Rohr auch weiterhin ausschließlich von S-Bahnen befahren zu lassen.

Ein weiterer Grund für die Bevorzugung der S-Bahn bzw. der Express-S-Bahn gegenüber den Regionalzügen auf der Strecke vom Flughafen nach S-Vaihingen ist der Umstand, dass diese Strecke heute bei weitem nicht ausgelastet ist. Auf dieser Strecke wird heute ein sogenannter Stottertakt 10/20 Minuten betrieben. Da ist noch Luft für weitere S-Bahn-Züge, vor allem während der 20 Minuten-Taktlücke, aber auch innerhalb des 10 Minuten Takts. Es gibt zwischen dem Flughafenbahnhof und S-Vaihingen vier Zwischenbahnhöfe (Echterdingen, Leinfelden, Oberaichen, Rohr). Überträgt man die derzeit gefahrenen Fahrzeiten der Strecke Bad Cannstatt-Esslingen-Plochingen, wo die Gleise der S-Bahn durch Regionalzüge mitbenutzt werden, auf die Strecke Flughafen - S-Vaihingen, dann kann man sagen, dass die Express-S-Bahn zwischen Flughafen und S-Vaihingen vier Minuten schneller sein wird als die herkömmliche S-Bahn. Damit passt die Express-S-Bahn auch im 10 Minuten-Takt zwischen zwei S-Bahnzüge, indem sie drei Minuten vor einem herkömmlichen S-Bahnzug am Flughafen abfährt und noch drei Minuten vor dem Auflaufen auf den vorherfahrenden S-Bahnzug hinter S-Rohr auf die Gleise der Fernbahn wechselt (hierbei ist allerdings die Situation im Haltepunkt Rohr separat zu prüfen). Die Taktlücke von 20 Minuten schreit hingegen förmlich nach einer Ergänzung durch einen weiteren Zug - eben durch eine Express-S-Bahn.             

Umfeld und Begründung für die zukünftige Express-S-Bahn sind klar und eindeutig
Ich bin der Auffassung, dass das Umfeld und die Begründung für die Express-S-Bahn als wichtiges Element zum etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart damit klar und eindeutig sind. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen werden wir dann im folgenden Post in diesem Blog eine erste Stufe eines erweiterten S-Bahnnetzes mit Zeithorizont 2019 diskutieren. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Ausbaumaßnahmen ist jedoch ein Stopp von Stuttgart 21. Einen minutengenauen Fahrplan für alle beteiligten Züge im Südwestquadrat der Region Stuttgart für den Zeithorizont 2019 gibt es im übernächsten Post. Ab dem vierten Post der Reihe geht es dann um die Ausbauperspektiven und eine zweite Ausbaustufe des Bahnknotens Stuttgart mit Zeithorizont 2030.     

      

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