Freitag, 1. März 2013

Was OB Fritz Kuhn dem Bahn-Aufsichtsrat in Sachen S21-Ausstieg mindestens sagen muss

Wir befinden uns in einem historischen Zeitfenster in Sachen Ausstieg aus Stuttgart 21. Der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bahn, Alexander Kirchner, fordert Land und Stadt öffentlich auf, zu erklären, ob sie im Falle eines Ausstiegs aus Stuttgart 21 ihre für das Projekt Stuttgart 21 zugesagten Geldmittel auch für eine Alternative bereithalten. In einem Brief an Land und Stadt hat Kirchner jetzt gemäß einem Bericht der TAZ zudem gefragt, ob Land und Stadt bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 Schadensersatzansprüche erheben werden.

In merkwürdigem Gegensatz zu diesem Wink mit dem Zaunpfahl des Bahn-Aufsichtsrats, zu dieser mit hochkarätigem Gold gepflasterten Brücke des Bahn-Aufsichtsrats hinüber zum Ausstieg aus Stuttgart 21 steht das Schweigen - zumindest nach außen hin - von Land und Stadt. Insbesondere von Stuttgarts OB Fritz Kuhn hört man derzeit wenig bis nichts. Nun kann es freilich sein, dass Fritz Kuhn hinter den Kulissen sehr wohl tätig ist. Da wir das aber nicht wissen, müssen wir erst einmal davon ausgehen, dass sich von Seiten der Landeshauptstadt Stuttgart nicht genügend tut, um dem Bahn-Aufsichtsrat die Hand zu reichen. Unter dieser Annahme sind die nachfolgenden Ausführungen zu sehen.


Fritz Kuhn hat als direkt von der Bevölkerung gewählter OB wesentlich mehr Handlungsspielraum und kann wesentlich eigenständiger agieren als ein Ministerpräsident. Trotzdem muss auch der OB selbstverständlich auf den Gemeinderat und die dortigen Mehrheitsverhältnisse Rücksicht nehmen. Sind Fritz Kuhn in Sachen Aufsichtsrat der Bahn deshalb alle Hände gebunden?

Die Antwort lautet: nein: Denn Fritz Kuhn muss mindestens darauf achten, dass die Vorlage des Bahnvorstands an den Aufsichtsrat zu Stuttgart 21 wenigstens keine Fehler enthält, insbesondere auf denjenigen Feldern, die die Stadt direkt betreffen.

Rückabwickung des Grundstücksgeschäfts für das D-Gebiet
Fritz Kuhn hat unmittelbar vor seiner Wahl zum OB zugesagt, dass er das von der Stadt im Jahr 2001 getätigte Grundstücksgeschäft für das D-Gebiet rückabwickeln will. Diese Zusage ist dokumentiert auf der Internetseite "Bei Abriss Aufstand". Die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts ist begründet durch den Schlichterspruch von Heiner Geißler, aber auch durch die Forderung, dass im Störungsfall für die S-Bahn eine Ausweichstrecke zur Verfügung steht. Ist Fritz Kuhn hierzu bereits tätig geworden?

Die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts für das D-Gebiet erfordert, dass die Bahn den Kaufpreis plus die Verzugszinsen in Höhe von zusammen 13,3 Mio Euro, an die Stadt zurückbezahlt (siehe im Post vom 15.01.2013 in diesem Blog). Um diesen Betrag verteuert sich somit das Projekt Stuttgart 21. Der Vorstand der Bahn hat diese Position nicht in seiner Aufstellung an den Aufsichtsrat verzeichnet. Es ist die Pflicht von Fritz Kuhn, den Aufsichtsrat auf diesen Fehler hinzuweisen und die korrekten Kosten von Stuttgart 21 anzugeben.

Keine Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts für Teile des C-Gebiets und des B-Gebiets bei einem Stuttgart 21-Ausstieg
Bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 müssen bestimmte Teile des von der Stadt mit der Bahn getätigten Grundstücksgeschäfts nicht rückabgewickelt werden. Dazu gehören Teile des C-Gebiets, die auch ohne Stuttgart 21 bebaut werden können. Dazu gehören auch Teile des B-Gebiets. Denn die Bahn selbst hat angekündigt, dass durch die Außenabstellung von Regionalzügen (z.B. in Tübingen) der Abstellbahnhof Rosenstein in jedem Fall verkleinert werden kann.

Mit dem Verzicht auf die Rückabwicklung reduzieren sich jedoch die Kosten für den Ausstieg aus Stuttgart 21. Die Juristen zu Stuttgart 21 haben dies dem Aufsichtsrat der Bahn in einem Schreiben mitgeteilt. Es wäre jedoch die ureigene Aufgabe von Fritz Kuhn gewesen, dies dem Aufsichtsrat mitzuteilen. Wer sonst wenn nicht der oberste Repräsentant derjenigen Gebietskörperschaft, die die Grundstücksgeschäfte getätigt hat, sollte dies dem Aufsichtsrat der Bahn denn mitteilen. Ist es tatsächlich so, dass nicht der bezahlte Repräsentant der Landeshauptstadt Stuttgart, sondern ehrenamtlich tätige Bürger diesen Sachverhalt der Bahn mitteilen müssen?

Verzugszinsen für die vorzeitig getätigten Grundstücksgeschäfte von 2020 bis 2025
Die Landeshauptstadt Stuttgart hat der Bahn die Verzugszinsen für die nicht rechtzeitig freiwerdenden Gleisflächen bis zum Jahr 2020 erlassen. Das kann man jetzt nicht mehr rückgängig machen. Ab dem Jahr 2020 fallen jedoch wieder Verzugszinsen an. Die Fertigstellung von Stuttgart 21 wird von allen maßgebenden Fachleuten keinesfalls vor 2025 erwartet. Somit muss die Bahn fünf Jahre lang Verzugszinsen für die Gebiete A und B sowie Teile des Gebiets C bezahlen. Das summiert sich auf ca. 143 Mio Euro (siehe im Post vom 15.01.2013 in diesem Blog).

Um diesen Betrag verteuert sich Stuttgart 21. Der Vorstand hat diesen Posten nicht in seiner Vorlage an den Aufsichtsrat aufgelistet. Die Juristen zu Stuttgart 21 haben in ihrem Schreiben an den Aufsichtsrat diese Sache genannt. Auch hier ist es die Aufgabe des Stuttgarter OB, diesen Sachverhalt dem Aufsichtsrat zu melden.

Fazit
Wir erwarten vom Stuttgarter OB nicht, dass er sich jetzt schon mit der Bahn über Alternativen zu Stuttgart 21 und deren Finanzierung unterhält, obwohl von verschiedener Seite durchaus plausible Argumente vorgebracht werden, dass der OB genau dies jetzt sehr wohl tun sollte.

Wir erwarten vom Stuttgarter OB aber, dass er das Mindeste tut, was man in der derzeitigen brisanten Situation tun muss. Und das ist, dass er dem Aufsichtsrat der Bahn zu denjenigen Angelegenheiten,  die die Landeshauptstadt Stuttgart betreffen, die Wahrheit sagt.                       

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