Mittwoch, 12. Dezember 2012

S21-Volksabstimmungs-Ergebnis verbietet höhere Beteiligung von BW, nimmt aber Mehrkosten beim Projekt in Kauf

Im Zusammenhang mit den exorbitant steigenden Kosten für Stuttgart 21 ist jetzt auch wieder die vom Land Baden-Württemberg am 27. 11. 2011 abgehaltene Volksabstimmung ins Gespräch gekommen.

Hierbei stellen sich Fragen wie zum Beispiel:
  • Muss die Volksabstimmung angesichts der Kostenexplosion wiederholt werden?
  • Ist die Volksabstimmung jetzt ungültig?
  • Ist die Volksabstimmung ein Freibrief für immer weiter steigende Kosten bei Stuttgart 21?
  • Ist die Volksabstimmung ein Freibrief für eine höhere Beteiligung des Landes an Stuttgart 21?
Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Gisela Erler und Ministerpräsident Kretschmann selbst haben sich in den letzten Tagen zu diesem Thema dahingehend geäußert, dass sie die Gültigkeit der Volksabstimmung auch bei stark steigenden Kosten für Stuttgart 21 für gegeben halten.

Ich habe mir zu diesem Thema eine Meinung gebildet und will sie nachfolgend zum Besten geben. Wir gehen schrittweise vor.


Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 wurde vom Land initiiert
Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 (Volksabstimmung über die Ausübung von Kündigungsrechten) kam nicht aus der Mitte der Bürgerschaft von Baden-Württemberg. Vielmehr wurde die Volksabstimmung von der Landesregierung in die Wege geleitet, die mit Hilfe dieser Abstimmung eine zwischen den beiden Koalitionsparteien umstrittene Fragestellung klären wollte.

Das Land war zur Volksabstimmung informationspflichtig
Wenn eine Regierung dem Volk ein Sachthema zur Abstimmung vorlegt, hat die Regierung eine Informationspflicht. Denn nur so können sich die Abstimmenden ein Urteil über den Gegenstand bilden, über den abgestimmt werden soll. Die Regierung von BW kam dieser Informationspflicht nach, indem sie an jeden Wahlberechtigten eine Informationsbroschüre geschickt hat. Die Informationsbroschüre beinhaltete jeweils zehn Argumente für und zehn Argumente gegen den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung von Stuttgart 21.

Maßgebend für eine spätere Interpretation der Ergebnisse der Volksabstimmung ist allein diese "offizielle" Informationsbroschüre der Landesregierung. 

Die Gefahr der Kostenexplosion war Inhalt der Informationsbroschüre
Allein drei der zehn in der Broschüre genannten Argumente für den Ausstieg des Landes befassen sich mit der drohenden Kostenexplosion.

Argument 6 thematisiert, dass bereits vor dem Baubeginn der ursprünglich großzügig bemessene Risikotopf aufgebraucht ist und die Kosten sich bereits dem Kostendeckel nähern.

Argument 7 sagt riesige Kostensteigerungen nach dem Baubeginn voraus und bezieht sich hierbei auf die Erfahrungen mit anderen Großprojekten.

Argument 8 stellt fest, dass es ungeklärt ist, wer all die erwarteten Kostensteigerungen zahlen soll. Über eine Übernahme zusätzlicher Kosten durch das Land steht hier nichts.

Bei den zehn Argumenten gegen einen Ausstieg des Landes ist es lediglich ein Argument, das sich mit den Kosten befasst.

In Argument 4 wird festgestellt, dass S21 im Kostenrahmen ist und dass es noch einen Puffer für mögliche Kostensteigerungen gibt.

Mehrheit stimmte gegen den Ausstieg und nahm die Kostenkatastrophe in Kauf
Bei der Volksabstimmung stimmte die Mehrheit der Abstimmenden gegen den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung von Stuttgart 21 und damit letztendlich auch für Stuttgart 21. Die Mehrheit entschied sich somit dahingehend, dass sie die in den Argumenten 6 bis 8 genannten Kostenrisiken in Kauf nahm oder sie nicht für so schwerwiegend hielt.  Und die Warnungen in den Argumenten 6 bis 8 waren durchaus deutlich. Es ging hierbei nicht nur um kleine Kostensteigerungen, sondern genau um diejenigen Kostenexplosionen, die jetzt nach und nach zugegeben werden.

Eine Wiederholung der Volksabstimmung wegen einer eingetretenen Kostenexplosion ist unter diesen Umständen wohl nicht durchführbar. Es dürfte auch schwierig sein zu sagen, bis zu welcher Kostenhöhe die Abstimmenden in BW das Limit gesetzt haben.

Höhere Beiteiligung des Landes an Stuttgart 21 stand bei der Volksabstimmung nicht zur Debatte
Genauso eindeutig wie die Interpretation des Abstimmungsergebnisses zu höheren Kosten ist jedoch der Sachverhalt in Bezug auf eine höhere Beteiligung des Landes. In der Broschüre der Landesregierung zu Stuttgart 21 wird eine höhere Beteiligung des Landes an keiner Stelle erwähnt, weder in den zehn Argumenten für den Ausstieg, noch in den zehn Argumenten gegen den Ausstieg.

Die Bürger von Baden-Württemberg haben also in der Volksabstimmung nicht über eine höhere Beteiligung des Landes an Stuttgart 21 abgestimmt. Die Volksabstimmung darf nicht als Rechtfertigung für eine höhere Beteiligung des Landes an Stuttgart 21 herangezogen werden. Im Gegenteil: Eine höhere Beteiligung des Landes an Stuttgart 21 ist ausgeschlossen. Hätte das Land jemals die Absicht gehabt, seine Beteiligung an Stuttgart 21 im Laufe der Zeit zu erhöhen, hätte es diese Absicht in der Informationsbroschüre mitteilen müssen und über diesen Sachverhalt abstimmen lassen müssen.

Fazit
Man sollte sich über die Äußerungen der Staatsrätin Erler und des Ministerpräsidenten Kretschmann zur Gültigkeit der Volksabstimmung nicht allzu sehr aufregen. Die Äußerungen kann man nicht als falsch brandmarken. Allerdings sind die Äußerungen vollkommen belanglos. Denn für Baden-Württemberg ist zunächst einmal allein relevant, dass es sich über seinen zugesagten Anteil hinaus mit keinem Cent mehr an Stuttgart 21 beteiligen darf.         
        
 
  

 

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